3. Kapitalerhöhung oder Neugründung

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Bei einer Absorptionsfusion ist bei der übernehmenden Gesellschaft in den meisten Fällen eine Kapitalerhöhung erforderlich, während es bei der Kombinationsfusion zur Gründung einer neuen Gesellschaft kommt. Die Notwendigkeit der Kapitalerhöhung bzw. der Neugründung führt zu zusätzlichen Anforderungen an das Fusionsverfahren.

3.1 Kapitalerhöhung bei Absorptionsfusion
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Art. 9 Abs. 1 FusG verpflichtet die übernehmende Gesellschaft, bei einer Absorption ihr Kapital soweit zu erhöhen, dass die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der Gesellschafter der untergehenden Einheit gewahrt werden können. Diese Pflicht ergibt sich bereits aus dem Grundsatz der mitgliedschaftlichen Kontinuität, wie er in Art. 7 FusG verankert ist. Eine Kapitalerhöhung setzt Grundkapital voraus. Die Bestimmung von Art. 9 FusG ist damit auf Kapitalgesellschaften und Genossenschaften mit Grundkapital zugeschnitten.266 Keine Anwendung finden bei einer Fusion gemäss Art. 9 Abs. 2 FusG jedoch die Regeln über die Sacheinlagen267 sowie Art. 651 Abs. 2 OR über den Höchstbetrag einer genehmigten Kapitalerhöhung. Das Privileg gilt nur zu­­gunsten der unmittelbar an einer Fusion beteiligten übernehmenden Ge­­sellschaft.

  1. Absorptionsfusion ohne Kapitalerhöhung
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    Nicht jede Absorption erfordert eine Kapitalerhöhung.268 Keine Erhöhung ist etwa notwendig, wenn die Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft anstelle von Anteilsrechten nur eine Abfindung erhalten sollen (Art. 8 Abs. 2 FusG). Sodann gibt es Fälle, bei denen gewisse Anteilsinhaber aufgrund ihrer Stellung nicht entschädigt werden müssen: Anteilsrechte an der übertragenden Gesellschaft, die bereits von der übernehmenden Gesellschaft gehalten werden, müssen nicht durch neue Anteilsrechte ersetzt werden. Gleiches gilt für die übertragende Gesellschaft, die eigene Anteile hält; in diesem Umfang erübrigt sich die Ausgabe neuer Anteile.269 Auch wenn sämtliche Anteile an zwei fu­­sionierenden Gesellschaften von der gleichen Muttergesellschaft gehalten werden, ist keine Kapitalerhöhung vorzunehmen.270 Denkbar ist auch, dass zwar Anteilsrechte ausgegeben werden müssen, dazu aber keine Kapitalerhöhung notwendig ist; das ist der Fall, wenn im Rahmen des Umtauschverhältnisses Anteilsrechte angeboten werden, welche die übernehmende Gesellschaft selber hält (z.B. eigene Aktien) oder welche ihr im Zuge der Fusion zukommen, weil sie vorher von der übertragenden Gesellschaft gehalten wurden. Schliesslich lassen sich neue Aktienstellen über eine Nennwertreduktion schaffen, wobei das frei werdende Aktienkapital zur Schaffung neuer Anteilsrechte (mit dem tieferen Nennwert) eingesetzt wird (Splitting-Fusion).271 Die neuen Anteile werden nach Massgabe des Umtauschverhältnisses an die neuen Gesellschafter aus­gegeben.

  2. Ordentliche oder genehmigte Kapitalerhöhung
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    Im Normalfall der Absorptionsfusion mit Kapitalerhöhung lassen sich die zusätzlichen Anteilsrechte über eine ordentliche oder eine genehmigte Kapitalerhöhung bereitstellen. Dabei wird die übernehmende Gesellschaft in aller Regel die Kapitalerhöhung auf dem Weg einer Einlage der übernommenen Aktiven und Passiven durchführen. Der Nennwert der Kapitalerhöhung darf dabei nicht höher sein als der Nettoaktivenüberschuss der eingebrachten Aktiven und Passiven zu Buchwerten; nicht massgebend ist hingegen der beim Umtauschverhältnis ermittelte Unternehmenswert der übertragenden Gesellschaft. Dies bedeutet, dass der Buchwert der Nettoaktiven der übertragenden Gesellschaft mindestens dem gesamten Nennwert der neu geschaffenen Anteile entsprechen muss (Verbot der Unter-pari-Emission; vgl. Art. 624 OR).272 Der Inhalt des Generalversammlungsbeschlusses über eine ordentliche Kapital­erhöhung bestimmt sich nach Art. 650 Abs. 2 OR. Hinsichtlich der Vermögenswerte, die übernommen werden, kann auf den Fusionsvertrag verwiesen werden. Die Kapitalerhöhung muss gemäss Art. 650 Abs. 3 OR innerhalb einer Frist von drei Monaten ins Handelsregister eingetragen werden, ansonsten der Beschluss der Generalversammlung wieder dahinfällt.273 Diese Zeitspanne kann bei einer Fusion insbesondere dann knapp sein, wenn zwischen der Genehmigung durch die Generalversammlung und dem Vollzug gewisse Bedingungen erfüllt werden müssen, so etwa wenn Bewilligungen von Behörden eingeholt werden müssen.

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    Als Alternative kommt in solchen Fällen die genehmigte Kapitalerhöhung mit ihrer Eintragungsfrist von max. 2 Jahren infrage (Art. 651 Abs. 1 OR). Art. 9 Abs. 2 FusG hält denn auch ausdrücklich fest, dass für genehmigte Kapital­erhöhungen im Zusammenhang mit dem Vollzug einer Fusion die Beschränkung auf die Hälfte des bestehenden Kapitals entfällt. Attraktiv kann eine ge­­nehmigte Kapitalerhöhung aber auch für Fusionen sein, bei denen die Gesellschafter der übertragenden Einheit zwischen dem Bezug von Anteilen und einer Barabfindung wählen können (Art. 8 Abs. 1 FusG), steht hier doch erst nach dem Entscheid der Gesellschafter fest, wie viele neue Anteile geschaffen werden müssen.

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    Die im Rahmen der Kapitalerhöhung neu geschaffenen Aktien sind den Gesellschaftern der übernommenen Gesellschaft zuzuweisen. Dies bedingt den Ausschluss des Bezugsrechts der bisherigen Gesellschafter der übernehmenden Einheit. Die Fusion stellt diesbezüglich einen wichtigen Grund i.S.v. Art. 652b Abs. 2 OR dar.274 Die Quoren für den Bezugsrechtsentzug und den Fusions­beschluss sind gemäss dispositivem Gesetzesrecht identisch.275 Die Kapital­erhöhung ist mit der Fusion ins Handelsregister einzutragen.276 Gemäss Art. 21 Abs. 2 FusG277 muss die übernehmende Gesellschaft bei der Handelsregisteranmeldung die für die Kapitalerhöhung erforderlichen Belege (Art. 46 ff. HRegV) einreichen, also insbesondere die geänderten Statuten der übernehmenden Gesellschaft sowie den entsprechenden Feststellungsbeschluss des obersten Exekutivorgans über die fusionsbedingte Kapitalerhöhung. Art. 652g OR betreffend den Feststellungsbeschluss des Verwaltungsrats über die Kapitalerhöhung gilt grundsätzlich unverändert, ist aber auf die Besonderheiten der Fusion anzupassen: An die Stelle der Ausführungen zur Sacheinlage treten Ausführungen zur Fusion, zudem muss keine Prüfungsbestätigung vorliegen.278

  3. Befreiung von Sacheinlagevorschriften
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    Art. 9 Abs. 2 FusG befreit die übernehmende Gesellschaft, die ihr Kapital erhöht, von der Einhaltung der Sacheinlagevorschriften des Obligationenrechts. Diese verfahrensmässige Vereinfachung wird damit begründet, dass bei der Fusion der Fusionsbericht (Art. 14 FusG) und die Fusionsprüfung (Art. 15 FusG) die Schutzfunktion der Sacheinlagevorschriften übernehmen.279

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    Es sind also der Fusionsbericht und die Fusionsprüfung, die den Sacheinlagebericht und die Prüfungsbestätigung ersetzen und damit entbehrlich machen. Verzichtet ein KMU bei einer Fusion auf den Fusionsbericht oder die Fu­­sionsprüfung,280 entfällt die Grundlage für die Befreiung von der Pflicht zur Erstellung eines Sacheinlageberichts und einer Prüfungsbestätigung.281 Dementsprechend sind auf solche Sachverhalte die ordentlichen Vorschriften über die Sacheinlage-Kapitalerhöhung anwendbar.282 Keine Anwendung findet Art. 9 Abs. 2 FusG zudem auf die erleichterte Fusion von Kapitalgesellschaften. Das gilt klarerweise dann, wenn die übernehmende Gesellschaft zwar nicht alle, aber mindestens 90 % der Anteile der übertragenden Gesellschaft hält:283 Nach Art. 24 Abs. 2 FusG muss hier kein Fusionsbericht erstellt werden. Dem Minderheitsgesellschafter der übertragenden Gesellschaft würden aber wesentliche Angaben zur Bewertung und zum Umtauschverhältnis fehlen, wenn die Sacheinlagevorschriften nicht zur Anwendung kämen. Auch bei der erleichterten Fusion nach Art. 23 Abs. 1 FusG , bei der die übernehmende Kapitalgesellschaft alle Anteile der übertragenden Kapitalgesellschaft hält, ist der Dispens von Art. 9 Abs. 2 FusG nicht angebracht. Die Hauptfunktion des Aktienkapitals besteht darin, eine Haftungsbasis für die Gläubiger sicherzustellen.284 Die Kapitalschutzbestimmungen wie jene über die Sacheinlagen stehen nicht nur im Interesse der Gesellschafter, sondern auch der Gläubiger. Es wäre deshalb ungerechtfertigt, wenn bei der erleichterten Fusion von Kapitalgesellschaften nicht nur auf die Erstellung und Prüfung eines Fusionsberichts, sondern nach Art. 9 Abs. 2 FusG auch auf die Einhaltung der rechtsformspezifischen Sacheinlagevorschriften verzichtet werden könnte. Demnach sind im Fall von Fu­­sionen von KMU sowie in den weiteren soeben genannten Fällen aus Gründen des Kapitalschutzes sämtliche Kapitalerhöhungsbelege einzureichen (Art. 652e und Art. 652f OR für die AG).285

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    Der Umfang des Dispenses286 von Art. 9 Abs. 2 FusG umfasst erstens den Sacheinlagevertrag287: Seine Funktion übernimmt der Fusionsvertrag, der bei der Anmeldung der Fusion zur Eintragung ins Handelsregister als Beleg eingereicht werden muss (Art. 131 Abs. 1 lit. a HRegV). Mit dem Vollzug der Fusion kann die übernehmende Gesellschaft von Gesetzes wegen frei über die übertragenen Vermögenswerte verfügen und die dazu notwendigen ergänzenden Dispositionen wie etwa die Grundbuchanmeldung im Fall eines Übergangs von Grundstücken nach Art. 104 FusG selbständig vornehmen.

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    Zweitens bezieht sich der Dispens von Art. 9 Abs. 2 FusG auf den Gründungsbericht oder den Kapitalerhöhungsbericht und die Prüfungsbestätigung,288 soweit es bei diesen Dokumenten um die Übernahme von Vermögenswerten geht: Der Fusionsbericht (Art. 14 FusG) und der schriftliche Prüfungsbericht des zugelassenen Revisionsexperten (Art. 15 FusG) gewährleisten Transparenz bezüglich der zu übernehmenden Aktiven und Passiven und deren Bewertung und garantieren eine Vertretbarkeitsprüfung durch eine unabhängige Fach­person.

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    Zusätzlich dispensiert Art. 9 Abs. 2 FusG von der Beschränkung einer ge­­nehmigten Kapitalerhöhung auf maximal 50 % des bisherigen Aktienkapitals gemäss Art. 651 Abs. 2 OR. Eine genehmigte Kapitalerhöhung kann somit auch durchgeführt werden, wenn das Umtauschverhältnis eine Erhöhung um mehr als die Hälfte des bisherigen Kapitals der übernehmenden Gesellschaft notwendig macht.

  4. Prospektzwang
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Werden Aktien öffentlich zur Zeichnung aufgelegt, so verlangt Art. 652a OR, dass gegenüber den Anlegern in einem Prospekt die wesentlichen Rahmen­bedingungen der Emission dargestellt werden. Bei der Fusion werden in der Regel neue Anteilsrechte angeboten. Beim Fusionsbeschluss entscheidet der Gesellschafter der übertragenden Einheit, ob er den Alleingang seiner Gesellschaft bevorzugt und die Fusion deshalb ablehnt oder ob ihm der Zusammenschluss die bessere Investitionsalternative bietet. Damit der Gesellschafter diesen Investitionsentscheid sachgerecht treffen kann, braucht er Informationen über die übernehmende Gesellschaft und die neuen Anteilsrechte, die er bei einer Fusion erhalten würde. Es stellt sich die Frage, ob zusätzlich zu den fu­­sionsspezifischen Dokumenten gemäss Art. 16 Abs. 1 FusG (Fusionsvertrag, Fusionsbericht, Prüfungsbericht und Jahresrechnungen) auch ein Emissionsprospekt nach Art. 652a OR erstellt oder der Fusionsbericht um die entsprechenden Informationen ergänzt werden muss.

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Mit Bezug auf den Emissionsprospekt nach Art. 652a OR hat die Frage nur eine geringe praktische Relevanz. Abgesehen von wenigen Punkten, beispielsweise bezüglich früherer Dividendenzahlungen, sind die Fusionsdokumente und der Emissionsprospekt vom Inhalt her deckungsgleich. Von grösserer Tragweite ist die Frage für börsenkotierte Unternehmen, die im Zuge einer Fusion ihr Kapital erhöhen und Anteilsrechte ausgeben. Zwar kann gemäss Art. 33 Abs. 2 lit. e KR bei der Kotierung von Effekten auf die Erstellung eines Kotierungsprospekts verzichtet werden, sofern die Effekten anlässlich einer Fusion angeboten oder zugeteilt werden bzw. zugeteilt werden sollen und falls ein Dokument verfügbar ist, dessen Angaben nach Ansicht des Regulatory Board denen des Kotierungsprospekts gleichwertig sind. Allerdings ist zu erwarten, dass das Regu­latory Board zur Beurteilung der Gleichwertigkeit eines solchen Dokuments strenge Kriterien anwenden wird. Der Kotierungsprospekt gemäss den Vorgaben der SIX Swiss Exchange ist nämlich umfassender als der Emissionsprospekt nach Art. 652a OR und detaillierter als der Fusionsbericht nach Art. 14 FusG. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass der Fusionsbericht gegenüber einem Kotierungsprospekt weiterhin nicht als gleichwertig betrachtet wird und die Ausnahme von Art. 33 lit. 2 e KR vorab auf in der Schweiz (zweit-)kotierte ausländische Emittenten angewendet wird, da die Bestimmung in Art. 33 lit. 2 e KR unverändert von Art. 4 Abs. 2 lit. d der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, übernommen wurde. Liegt ein solches vom Regulatory Board anerkanntes Dokument nicht vor, so muss ein Kotierungsprospekt erstellt werden, falls das Kapital um mehr als 10 % erhöht werden soll (Art. 33 Abs. 2 lit. a KR).

3.2 Neugründung bei der Kombinationsfusion
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Bei einer Kombinationsfusion ist die Gründung einer neuen Gesellschaft erforderlich, da die bestehenden Rechtsträger gelöscht und ihre Aktiven und Passiven auf die neue Gesellschaft übertragen werden. Art. 10 FusG verweist für die Neugründung auf die entsprechenden Bestimmungen im OR und im ZGB. Bei Kapitalgesellschaften sind die Vorschriften über die Zahl der Gründer nicht anwendbar. Nachdem sowohl das Aktien- als auch das GmbH-Recht die Gründung durch eine Einzelperson zulässt289 hat diese Freistellung ihre Bedeutung verloren. Für die Genossenschaft, die keine Kapitalgesellschaft im Sinne des FusG ist, gilt die Freistellung ohnehin nicht. Bei der Fusion zu einer Genossenschaft ist zu verlangen, dass die neu entstandene Genossenschaft zumindest nach der Transaktion gemäss Art. 831 Abs. 1 OR wenigstens sieben Mitglieder zählt, da etwa eine Einpersonengesellschaft den Genossenschaftszweck der gemeinsamen Selbsthilfe gar nicht verfolgen könnte.290

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Gemäss Art. 10 Satz 2 FusG finden bei der Kombinationsfusion – wie auch bei der Absorptionsfusion nach Art. 9 Abs. 2 FusG – die Vorschriften des Obligationenrechts über die Sacheinlagen grundsätzlich keine Anwendung.