Fusionsähnliche Zusammenschlüsse sind unter einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise auszulegen. Dabei ist die Durchführung einer Kapitalerhöhung bei der übernehmenden Gesellschaft zentrale Voraussetzung für die Bejahung eines fusionsähnlichen Zusammenschlusses zweier Unternehmen. Fehlt eine Kapitalerhöhung im Zusammenhang mit der Übertragung von Beteiligungen, liegt keine enge und wirtschaftliche Verflechtung zweier Unternehmen vor. Es handelt sich in einem solchen Fall um ein reines Kaufgeschäft.
Im vorliegenden Fall hatte sich das Bundesgericht mit der Frage zu befassen, ob der Verkauf einer 50% Beteiligung an einer Gesellschaft als Quasifusion zu qualifizieren ist, falls dieser im Zusammenhang mit einer Umstrukturierung nach Art. 6 Abs. 1 lit. abis des Stempelsteuergesetzes (StG) erfolgte und demnach von den Emissionsabgaben ausgenommen ist. Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die X. AG ist eine schweizerische Holdinggesellschaft mit einem Aktienkapital von CHF 300‘000.-, eingeteilt in 300 Namenaktien zu je CHF 1‘000.-. Alleiniger Aktionär und Verwaltungsratspräsident ist A., welcher die Aktien der X. AG in seinem Privatvermögen hält. A. ist zu 50% an der Y. AG, einer weiteren schweizerischen Holdinggesellschaft mit einem Aktienkapital von CHF 100‘000.-, eingeteilt in 100 Namenaktien zu je CHF 1‘000.-, beteiligt. Nebst der 50% Beteiligung von A. halten B. und C. je 25% der Namenaktien an der Y. AG. Im Juni 2007 verkaufte A. die bisher in seinem Privatvermögen gehaltene 50% Beteiligung an der Y. AG zum Nominalwert von CHF 50‘000.- an die X. AG. Das Aktienkapital der X. AG belief sich nach diesem Beteiligungskauf unverändert auf CHF 300‘000.-. Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) erblickte in der Erbringung der 50% Beteiligung einen Zuschuss im Sinne von Art. 5 Abs. 2 lit. a StG durch A. an die X. AG in der Höhe der Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem höheren Verkehrswert der Beteiligung und erhob darauf eine Emissionsabgabe von 1% zuzüglich Zins. Dagegen erhob die X. AG Einsprache mit der Begründung, dass es sich bei der Übertragung der Beteiligung von A. an der Y. AG auf die X. AG um eine von Emissionsabgaben ausgenommene Umstrukturierung nach Art. 6 Abs. 1 lit. abis StG handle.
Das Bundesgericht setzte sich mit der Ausnahmebestimmung von Art. 6 Abs. 1 lit. abis StG auseinander, wonach diese die steuerliche Entlastung von Kapitalbeschaffungen im Zusammenhang mit Umstrukturierungen, die oft unter dem Druck wirtschaftlicher Notwendigkeit erfolgen, bezwecke. Das Bundesgericht führt aus, dass der in Art. 6 Abs. 1 lit. abis StG verwendete Begriff des „wirtschaftlich einer Fusion gleichkommenden Zusammenschlusses“ im StG nicht näher umschrieben und daher auslegungsbedürftig sei. Da es sich bei fusionsähnlichen Zusammenschlüsse um wirtschaftliche Vorgänge handle, sei eine wirtschaftliche Betrachtungsweise einzunehmen und für die Begriffsbestimmung von einer (echten) Fusion auszugehen. Im Gegensatz zur Fusion führe ein fusionsähnlicher Zusammenschluss (Quasifusion) nicht zur rechtlichen Verschmelzung zweier oder mehrerer Gesellschaften; der Zusammenschluss erfolge durch den Austausch von Beteiligungsrechten in der Form, dass die übernehmende Gesellschaft eine Kapitalerhöhung unter Verzicht auf das Bezugsrecht ihrer Anteilsinhaber vornehme. Dadurch würden die Anteilsinhaber der übernommenen Gesellschaft dank neu ausgegebenen Beteiligungsrechten zu Anteilsinhabern der übernehmenden Gesellschaft (E. 3.4).
Das Bundesgericht hält fest, dass eine Quasifusion immer eine Kapitalerhöhung bei der übernehmenden Gesellschaft unter Ausschluss der Bezugsrechte der bisherigen Gesellschafter und einen Aktientausch bei den Gesellschaftern der übernommenen Gesellschaft bedinge. Dabei sei eine Kapitalerhöhung und Ausgabe neuer Beteiligungsrechte kein bloss formales Kriterium, sondern die Voraussetzung dafür, dass auf der Beteiligungsebene eine wirtschaftliche Verflechtung der beteiligten Unternehmen stattfinden könne (E. 4.2). Vom reinen Kauf einer Beteiligung unterscheide sich die Quasifusion wirtschaftlich dadurch, dass die bisherigen Aktionäre der übernommenen Gesellschaft weiterhin indirekt an dieser beteiligt bleiben würden.
Nach der im Kreisschreiben Nr. 5 der ESTV vom 1. Juni 2004 verankerten Praxis der ESTV seien auch Beteiligungsrechte, die in Durchführung von Beschlüssen über Fusionen oder Quasifusionen begründet oder erhöht werden, von der Emissionsabgabe ausgenommen. Vorausgesetzt werde dabei aber, dass die übernehmende Gesellschaft gegenüber der übernommenen Gesellschaft eine beherrschende Stellung einnehme, was voraussetze, dass diese mindestens 50% der Stimmrechte an der übernommenen Gesellschaft halte und höchstens 50% des effektiven Werts der übernommenen Beteiligungsrechte bar ausbezahlt würden (E. 3.5).
Das Bundesgericht kommt im vorliegenden Fall zum Schluss, dass durch die von A. an die X. AG übertragene Beteiligung wohl eine Veränderung des Aktionariats bei der Y. AG, jedoch nicht auch bei der X. AG, stattfand und mit der Übertragung der Beteiligung keine gleichzeitige Kapitalerhöhung bei der übernehmenden X. AG erfolgt sei. Bei der von A. an die X. AG übertragenen Beteiligung an der Y. AG handelt es sich daher nach Einschätzung des Bundesgerichts um ein reines Aktienkaufgeschäft und nicht um eine Quasifusion (E. 4.1). Die ESTV habe ihre Praxis gemäss Kreisschreiben Nr. 5 im vorliegenden Fall adäquat und rechtlich einwandfrei angewendet (E. 4.5). Die Beschwerde der X. AG wurde abgewiesen.
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