4. Besondere Verfahren
4.1 Erleichterung für KMU
Anders als bei den übrigen drei Transaktionsformen enthält das Fusionsgesetz bei der – verfahrensmässig weniger stark regulierten – Vermögensübertragung keine spezifischen Erleichterungen für KMU. Der Verzicht auf solche Erleichterungen erscheint vor dem Hintergrund der relativ einfach zu erfüllenden Informationspflicht nach Art. 74 FusG und angesichts des Wegfalls von Prüfungspflicht und Einsichtsverfahren sachgerecht.
4.2 Stiftungen
Das Fusionsgesetz enthält in Art. 86 f. besondere Vorschriften für jene Vermögensübertragungen, bei denen eine Stiftung als übertragende Partei auftritt. Keine besonderen Einschränkungen gelten für die Vermögensübertragung von einer im Handelsregister eingetragenen Gesellschaft oder Einzelunternehmung auf eine Stiftung. Für diese Fälle sind die allgemeinen Vorschriften zur Vermögensübertragung nach Art. 69 ff. FusG anwendbar.1696 Wie den im Handelsregister eingetragenen Gesellschaften und Einzelunternehmen nach Art. 69 Abs. 1 FusG so ist es grundsätzlich auch den im Handelsregister eingetragenen Stiftungen1697 nach Art. 86 Abs. 1 FusG erlaubt, ihr Vermögen oder Teile davon mit Aktiven und Passiven auf andere Rechtsträger zu übertragen. Für nicht im Handelsregister eingetragene Stiftungen gelangt jedoch ausschliesslich die Regelung von Art. 181 OR zur Anwendung.1698 Die vollumfängliche Zulassung von Vermögensübertragungen bietet den Stiftungen einen Ersatz dafür, dass ihnen die Fusion zum Beispiel mit einer Gesellschaft,1699 die Umwandlung
in eine Gesellschaft sowie die Spaltung nicht offenstehen.1700 Demgegenüber kann die Vermögensübertragung nicht nur auf eine andere Stiftung, sondern auf einen beliebigen anderen Rechtsträger i.S.v. Art. 2 lit. a FusG erfolgen.1701 Die Vermögensübertragung einer Stiftung auf einen anderen Rechtsträger ist aber nur dann zulässig, wenn sie sachlich gerechtfertigt ist, dem Stiftungszweck dient und überdies so vollzogen wird, dass allfällige Rechtsansprüche der Destinatäre gewahrt bleiben.1702 Gemäss Art. 86 Abs. 2 FusG wird im Übrigen neben dem Abschluss eines Übertragungsvertrags1703 auch die Einhaltung der Gläubiger- und Arbeitnehmerschutzbestimmungen1704 vorausgesetzt. Die übertragende Stiftung trifft jedoch im Gegensatz zu den übrigen Vermögensübertragungen nach Art. 69 ff. FusG keine Informationspflicht i.S.v. Art. 74 FusG. Dementsprechend steht den Destinatären auch kein Anfechtungsrecht gestützt auf das Fusionsgesetz zu.1705
Für den Abschluss des Übertragungsvertrags inklusive Errichtung des Inventars ist auf der Seite der übertragenden Stiftung der Stiftungsrat zuständig.1706 Untersteht die Stiftung nach Art. 84 ZGB der öffentlichen Aufsicht,1707 so ist die Vermögensübertragung gemäss Art. 87 FusG auf Antrag des Stiftungsrats der übertragenden Stiftung von der Aufsichtsbehörde der übertragenden Stiftung zu prüfen und zu genehmigen.1708 Genehmigt die Aufsichtsbehörde die Vermögensübertragung, so erlässt sie eine entsprechende Verfügung und
meldet die Transaktion zur Eintragung ins Handelsregister an. Mit dieser Anmeldung muss die Aufsichtsbehörde gemäss Art. 141 Abs. 1 HRegV dem Handelsregisteramt als Belege die Verfügung über die Genehmigung der Vermögensübertragung und den Übertragungsvertrag einreichen.1709
Bei Vermögensübertragungen von Familienstiftungen und kirchlichen Stiftungen, die keiner öffentlichen Aufsicht unterstehen,1710 muss die übertragende Stiftung gemäss Art. 141 Abs. 2 HRegV dem Handelsregisteramt anstelle der Verfügung der Aufsichtsbehörde die Auszüge aus den Protokollen der beteiligten Rechtsträger über den Abschluss des Übertragungsvertrags einreichen.
Die Vermögensübertragung wird erst mit ihrer Eintragung ins Handelsregister rechtswirksam. In diesem Zeitpunkt gehen die im Inventar aufgeführten Aktiven und Passiven von Gesetzes wegen auf den übernehmenden Rechtsträger über (partielle Universalsukzession).1711
4.3 Vorsorgeeinrichtungen
Das Fusionsgesetz enthält in Art. 98 FusG besondere Vorschriften für jene Vermögensübertragungen, bei denen eine Vorsorgeeinrichtung als übertragende Partei auftritt. Keine besonderen Einschränkungen gelten für die Vermögensübertragung von einer im Handelsregister eingetragenen Gesellschaft oder Einzelunternehmung auf eine Vorsorgeeinrichtung: In diesen Fällen sind die allgemeinen Vorschriften zur Vermögensübertragung nach Art. 69 ff. FusG anwendbar.1712
Vorsorgeeinrichtungen1713 dürfen Vermögensübertragungen auf einen anderen Rechtsträger nur vornehmen, wenn der Vorsorgezweck sowie die Rechte und Ansprüche sämtlicher Versicherten, d.h. sowohl der Rentenbezüger wie auch der noch im aktiven Berufsleben stehenden Versicherten, gewahrt bleiben (Art. 98 Abs. 2 FusG i.V.m. Art. 88 Abs. 2 FusG).1714 Solange diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann die Übertragung sowohl auf eine andere Vorsorgeeinrichtung wie auch auf einen beliebigen anderen Rechtsträger, welcher keinen Vorsorgezweck verfolgt, erfolgen.1715
Für das Verfahren der Transaktion sind gemäss Art. 98 Abs. 2 FusG die allgemeinen Bestimmungen von Art. 70–77 FusG anwendbar. Vorbehalten wird jedoch ausdrücklich, dass Vermögensübertragungen, die im Rahmen einer Teil- oder Gesamtliquidation der Vorsorgeeinrichtung stattfinden, einer Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedürfen, sofern das Recht der beruflichen Vorsorge eine solche vorschreibt (Art. 98 Abs. 3 FusG). Als Beispiele hierfür sei namentlich auf Art. 18a Abs. 1 FZG1716 sowie auf Art. 53b–53d BVG verwiesen.
4.4 Institute des öffentlichen Rechts
Das Fusionsgesetz enthält in Art. 99–101 besondere Vorschriften für jene Vermögensübertragungen, an denen ein Institut des öffentlichen Rechts1717 als übernehmender oder übertragender Rechtsträger beteiligt ist.1718 Bei der Gegenseite kann es sich gemäss Art. 99 Abs. 2 FusG um einen beliebigen Rechtsträger i.S.v. Art. 2 lit. a FusG handeln, also beispielsweise auch um ein anderes Institut des öffentlichen Rechts oder um eine privatrechtliche Gesellschaft.1719 Die umfassende Zulassung der Vermögensübertragung bietet den Instituten des öffentlichen Rechts funktionell einen Ausgleich dafür, dass das Fusionsgesetz die Absorptionsfusion durch ein Institut des öffentlichen Rechts sowie die Spaltung eines Instituts des öffentlichen Rechts nicht zulässt.1720 Für die Voraussetzungen und das Verfahren bei Vermögensübertragungen, an denen ein öffentlich-rechtlicher Rechtsträger beteiligt ist, sind nach Art. 100 Abs. 1 FusG die Vorschriften des Fusionsgesetzes sinngemäss anwendbar, womit im vorliegenden Zusammenhang auf Art. 69 ff. FusG verwiesen wird.1721 Nebst diesen Normen sind immer auch Art. 99–101 FusG zu beachten. Im Unterschied zu den Handelsgesellschaften, Genossenschaften, Vereinen, Stiftungen und Einzelunternehmen, die im Handelsregister eingetragen sind, ist es den Instituten des öffentlichen Rechts nicht verwehrt, ihr Vermögen oder Geschäft alternativ durch Singularsukzession unter Übergang der damit verbundenen Verbindlichkeiten nach Art. 181 Abs. 1–3 OR zu übertragen.1722
Nach Art. 100 Abs. 2 FusG muss das an der Transaktion als übertragende Partei auftretende Institut des öffentlichen Rechts ein Inventar errichten, was gemäss Art. 71 Abs. 1 lit. b FusG ohnehin für jeden Übertragungsvertrag erforderlich ist. In diesem Inventar sind die Gegenstände des Aktiv- und Passivvermögens, die von der Vermögensübertragung erfasst werden, eindeutig zu bezeichnen und zu bewerten. Grundstücke, Wertpapiere und immaterielle Werte müssen einzeln aufgeführt werden.1723 Das Inventar hat für Institute des öffentlichen Rechts eine besonders grosse Bedeutung, weil das an der Transaktion beteiligte Institut des öffentlichen Rechts nicht notwendigerweise mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet sein muss; in solchen Fällen ist das betreffende Vermögen des Instituts juristisch nicht getrennt von jenem der Körperschaft des öffentlichen Rechts, dem das Institut angehört. Die Aktiven und Passiven des Instituts müssen also vorab klar und eindeutig spezifiziert werden; dies wird mit dem Inventar vorgenommen. Zu bedenken ist ausserdem, dass die von der Vermögensübertragung erfassten Sachen, Rechte, Schulden etc. ihren Rechtsträger wechseln, ohne dass die Formvorschriften beachtet werden müssen, deren Einhaltung bei gewöhnlichen Austauschgeschäften in Singularsukzession für den Rechtsübergang notwendig ist. Bei der Vermögensübertragung nach Art. 99 Abs. 2 FusG ist das einzige Publizitätsmittel der Eintrag ins Handelsregister; aus diesem muss für jedermann klar ersichtlich sein, welche Vermögensteile von der Vermögensübertragung betroffen sind. Das Inventar mit seiner Auflistung schafft hier also Transparenz und Rechtssicherheit.
Wie bereits erwähnt, sind die vom Inventar erfassten Aktiven und Passiven gemäss Art. 100 Abs. 2 FusG gesamthaft zu bewerten. Die Notwendigkeit der Bewertung ergibt sich einerseits aus steuerlichen Überlegungen. Im Inventar sind zuweilen Aufwertungen und Aktivierungen stiller Reserven erforderlich, damit diese vom Institut des öffentlichen Rechts eingebrachten Werte nach erfolgter Vermögensübertragung nicht unerwünschte und sachfremde Steuerfolgen auslösen.1724 Andererseits dient die Inventarisierung und Bewertung der Transparenz gegenüber Gläubigern, Gesellschaftern und allen übrigen an der Transaktion beteiligten Personen. Schliesslich ist auch zu bedenken, dass sich die Bewertung in der Rechnungslegung von Instituten des öffentlichen Rechts häufig an anderen Grundsätzen orientiert als im Privatrecht. Deshalb müssen anlässlich der Übertragung von Vermögenswerten eines öffentlich-rechtlichen Instituts auf einen privatrechtlichen Rechtsträger entsprechende Anpassungen möglich sein.1725 Im Weiteren ist das Inventar nach Art. 100 Abs. 2 FusG grundsätzlich von einem zugelassenen Revisionsexperten zu prüfen. Auf diesen Schritt darf jedoch verzichtet werden, wenn auf andere Weise gewährleistet wird, dass die Erstellung und die Bewertung des Inventars den anerkannten Rechnungslegungsgrundsätzen1726 entsprechen. Dies darf etwa dann angenommen werden, wenn das Gemeinwesen selber das erforderliche Fachwissen in Rechnungslegungs- und Bewertungsfragen besitzt und es diesbezüglich allgemein anerkannte Grundsätze – wie jene von Swiss GAAP FER oder von IFRS – oder gar gesetzliche Bewertungsvorschriften anwendet, wie sie beispielsweise für Kantonalbanken gelten.1727
Für die Zuständigkeit und Modalitäten der Beschlussfassung über die Vermögensübertragung auf der Seite des (übertragenden oder übernehmenden) Instituts des öffentlichen Rechts ist das öffentliche Recht jener Gebietskörperschaft einschlägig, der das Institut angehört (Art. 100 Abs. 3 FusG). In der Regel wird die Vermögensübertragung mindestens einen formellen Entscheid der zuständigen eidgenössischen, kantonalen oder kommunalen Behörde erfordern, wenn nicht gar eine spezielle gesetzliche Grundlage.1728
Dem betreffenden Gemeinwesen obliegt es sodann, die Interessen der Gläubiger des Instituts des öffentlichen Rechts zu schützen. Zu diesem Zweck muss das betreffende Gemeinwesen gemäss Art. 101 Abs. 1 FusG Vorkehrungen treffen, damit die Gläubiger ihre Ansprüche aus allfälliger persönlicher Haftung gegenüber den Gesellschaftern i.S.v. Art. 75 FusG geltend machen können, und zwar in einer bezüglich Inhalt, Umfang und Dauer gleichwertigen Weise.1729 Werden keine solchen Vorkehrungen ergriffen oder erweisen sich die getroffenen Vorkehrungen als mangelhaft und kommen die nach Art. 75 FusG geschützten Gläubiger deswegen zu Schaden, so hat das betreffende Gemeinwesen (Bund, Kanton oder Gemeinde) für den entstandenen Schaden gemäss eidgenössischem oder kantonalem Staatshaftungsrecht einzustehen (Art. 101 Abs. 2 FusG).1730
Für die Eintragung einer Vermögensübertragung unter Beteiligung eines Instituts des öffentlichen Rechts ins Handelsregister gelten gemäss Art. 145 Abs. 1 HRegV die Vorschriften über die gewöhnliche Vermögensübertragung1731 sinngemäss. Nach Art. 145 Abs. 2 HRegV muss der übertragende Rechtsträger oder das übertragende Institut des öffentlichen Rechts mit seiner Handelsregisteranmeldung nicht nur die Belege einreichen, die sinngemäss für die gewöhnliche Vermögensübertragung erforderlich sind, sondern auch das Inventar nach Art. 100 Abs. 2 FusG sowie den Beschluss oder andere Rechtsgrundlagen des öffentlichen Rechts, auf die sich die Vermögensübertragung stützt (Art. 100 Abs. 3 FusG). Zur Herstellung der erforderlichen Transparenz muss gemäss Art. 145 Abs. 3 HRegV die Handelsregistereintragung einen Hinweis auf das Inventar sowie auf den Beschluss oder die anderen Rechtsgrundlagen enthalten.