4. Beschlussfassung
Die Gesellschafter der Fusionsparteien müssen den Fusionsvertrag genehmigen, bevor der Zusammenschluss vollzogen werden kann.651 Ein Genehmigungsbeschluss ist bei sämtlichen an der Fusion direkt beteiligten Gesellschaften notwendig. Das Erfordernis der Beschlussfassung gilt somit unabhängig davon, ob die betreffende Gesellschaft im Rahmen der Fusion als übertragende Gesellschaft aufgelöst wird oder als übernehmende Gesellschaft weiter besteht, und unabhängig davon, ob die übernehmende Gesellschaft ihr Eigenkapital erhöhen muss oder nicht. Der Fusionsbeschluss bedarf nach Art. 20 FusG der öffentlichen Beurkundung, ausser bei der Fusion zwischen Vereinen. Die Beurkundung kann unter gewissen formellen Voraussetzungen (Apostille oder Superlegalisation) auch im Rahmen eines Verfahrens im Ausland erfolgen, das dem schweizerischen Beurkundungsverfahren gleichwertig ist.652
Eine Ausnahme vom Genehmigungsvorbehalt gilt nur für die Fälle der erleichterten Fusion von Kapitalgesellschaften nach Art. 23 und 24 FusG, in denen weder die übertragende noch die übernehmende Gesellschaft einen Fusionsbeschluss fassen muss. Weiter ist zu beachten, dass bei einer Dreiecksfusion die wirtschaftlich erwerbende Muttergesellschaft nicht direkt an der Fusion beteiligt ist und deshalb auch keinen Fusionsbeschluss zu fassen hat; ihre Anteilsrechte fallen technisch gesehen nicht unter den Grundsatz der Kontinuität der Mitgliedschaft, sondern sind Abfindungen nach Art. 8 FusG.653 Die liquidationslose Vermögensübertragung findet zwischen der übernehmenden Tochtergesellschaft und der übertragenden Drittgesellschaft statt. Nur auf dieser Stufe sind Fusionsbeschlüsse notwendig.654
Je nach Rechtsform bezeichnet das Fusionsgesetz das Organ, das für den Genehmigungsbeschluss zuständig ist, und legt das erforderliche Zustimmungsquorum fest. Das Fusionsgesetz orientiert sich dabei an den Quoren für wichtige Beschlüsse der Gesellschafter nach Obligationenrecht.655 Damit sind immer qualifizierte Mehrheiten erforderlich. Eine qualifizierte Zustimmung von 90 % der stimmberechtigten Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft ist erforderlich, wenn ausscheidende Gesellschafter i.S.v. Art. 8 Abs. 2 FusG in Verbindung mit Art. 18 Abs. 5 FusG zwangsweise abgefunden werden sollen. Art. 18 FusG legt die allgemeinen Zustimmungsquoren je nach Gesellschaftsform und Rechtsform der Fusion fest. Als Konsequenz gelten für die übertragende und die übernehmende Gesellschaft nicht notwendigerweise die gleichen Quoren. Falls notwendig, sind zur konkreten Berechnung der Mehrheiten die gesellschaftsspezifischen Bestimmungen des Obligationenrechts heranzuziehen.
4.1 Aktiengesellschaft und Kommanditaktiengesellschaft
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Zweidrittelmehrheit
351Bei der Aktiengesellschaft und der Kommanditaktiengesellschaft ist die Generalversammlung für die Beschlussfassung zuständig (Art. 18 Abs. 1 lit. a FusG). Erforderlich ist eine Zustimmung von zwei Dritteln der vertretenen Stimmen und der absoluten Mehrheit der vertretenen Aktiennennwerte. Das Erfordernis entspricht der Doppelhürde für wichtige Beschlüsse in der Aktiengesellschaft nach Art. 704 OR. Entsprechend Art. 704 Abs. 2 OR ist das Quorum für den Fusionsbeschluss einseitig zwingend in dem Sinne, dass die Statuten keine tieferen, wohl aber höhere Quoren vorsehen können.656 Als vertreten gelten jene Stimmen, die mit Bezug auf die anstehende Abstimmung ausgeübt werden dürfen.657 Zur Berechnung des Quorums kann auf die einschlägige Praxis und Literatur zum Aktienrecht verwiesen werden.658
352Das Aktienrecht kennt keinen allgemeinen Stimmrechtsausschluss, untersagt aber unter anderem die Stimmrechtausübung an eigenen Aktien, welche die Gesellschaft selber oder eine ihrer Tochtergesellschaften hält (Art. 659a f. OR).659 Die Stimmrechte aus Kreuzbeteiligungen zwischen den fusionierenden Gesellschaften können beim Fusionsbeschluss deshalb so weit ausgeübt werden, als es sich nicht um eine Mehrheitsbeteiligung handelt (Art. 659b Abs. 2 OR).660 Beispielsweise kann eine übernehmende Gesellschaft, welche über die Mehrheit der Stimmen in der übertragenden (Tochter-)Gesellschaft verfügt, diese Stimmen in der Generalversammlung der Tochter ausüben, doch darf die übertragende Tochter mit den Stimmen, die sie an der übernehmenden (Mutter-)Gesellschaft hält, nicht mehr abstimmen: Diese Aktien gelten als eigene Aktien der Mutter i.S.v. Art. 659b Abs. 2 OR.
353Ergibt sich für die Gesellschafter der übertragenden Einheit aus der Fusion eine Änderung des Gesellschaftszwecks, so muss die Genehmigung des Fusionsvertrages kumulativ auch die Mehrheitserfordernisse für eine Zweckänderung erfüllen (Art. 18 Abs. 6 FusG). Im Fall der Aktiengesellschaften entspricht das Quorum für eine Zweckänderung (Art. 704 OR) jenem für den Fusionsbeschluss (Art. 18 Abs. 1 lit. a FusG), sodass sich aus dieser Bestimmung keine zusätzlichen Anforderungen an das Quorum ergeben.661
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Qualifiziertes Quorum bei der Abfindungsfusion
354Eine Abfindungsfusion («cash-out merger»), bei welcher die Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft nach Art. 8 Abs. 2 FusG zwingend in Geld oder Sachwerten abgefunden werden («squeeze-out»), verlangt auf der Seite der übertragenden Gesellschaft eine Zustimmung von 90 % der stimmberechtigten Gesellschafter (Art. 18 Abs. 5 FusG). Diese Bestimmung regelt nicht näher, wie sich dieses Quorum konkret berechnet.
355Im Fall der Aktiengesellschaft fällt die Generalversammlung ihre Beschlüsse nach der aktienrechtlichen Grundregel von Art. 703 OR grundsätzlich nach Massgabe der vertretenen Aktienstimmen basierend auf der Kapitalbeteiligung (Art. 692 Abs. 1 OR). Demnach verlangt der Genehmigungsbeschluss der übertragenden Gesellschaft bei der Abfindungsfusion zunächst eine Mehrheit von 90 % der vertretenen Aktienstimmen. Daneben bleibt aber das Nennwerterfordernis von Art. 18 Abs. 1 lit. a FusG anwendbar: Jeder Fusionsbeschluss einer Aktiengesellschaft – ob mit oder ohne Abfindung – setzt die absolute Mehrheit der vertretenen Aktiennennwerte voraus. Somit müssen nach der hier vertretenen Ansicht die Aktionäre der übertragenden Gesellschaft einer Abfindungsfusion mit mindestens 90 % der vertretenen Aktienstimmen und der absoluten Mehrheit der vertretenen Nennwerte zustimmen.662
356In Lehre und Praxis wird die Auslegung von Art. 18 Abs. 5 FusG kontrovers diskutiert. Weitgehend einig ist sich die h.L. darin, dass auf die Stimmrechte der Gesellschafter und nicht auf das Kopfstimmprinzip abgestellt werden soll. Diese Ansicht wird auch vom Eidgenössischen Handelsregisteramt unterstützt.663 Hingegen ist umstritten, ob sich die 90 % auf die Gesamtheit der Stimmrechte oder auf die an der Generalversammlung vertretenen Stimmen beziehen. Da sich das Eidgenössische Handelsregisteramt – unseres Erachtens zu Unrecht – für die erste Variante entschieden hat und nur Beschlüsse einträgt, die mit 90 % aller Aktienstimmen gefällt wurden, nicht aber jene, die 90 % der vertretenen Aktienstimmen auf sich vereinigten, ist die Frage in der Praxis vorerst entschieden.664 Darüber hinaus ist in der h.L. insbesondere bezüglich der AG nach wie vor umstritten, ob das zusätzlich zu erfüllende Nennwerterfordernis 90 % des Aktienkapitals, 90 % der vertretenen Nennwerte oder – wie hier vorgeschlagen und implizit wohl auch vom Eidgenössischen Handelsregisteramt angenommen – in Anwendung von Art. 18 Abs. 1 FusG die absolute Mehrheit der vertretenen Nennwerte betragen soll.665
357Das qualifizierte Quorum von Art. 18 Abs. 5 FusG ist ebenfalls einseitig zwingend und kann von den Gesellschaften in den Statuten entsprechend Art. 704 Abs. 2 OR nur erhöht, nicht aber verringert werden. Es ist daher möglich, das Quorum von 90 % statutarisch auf die vertretenen Aktiennennwerte zu erstrecken, sodass im Resultat für eine Abfindungsfusion eine Doppelhürde von je 90 % der vertretenen Stimmen und des vertretenen Kapitals gilt.
Einstimmigkeit
Wird eine Aktiengesellschaft oder Kommanditaktiengesellschaft von einer Genossenschaft übernommen, so müssen gemäss Art. 18 Abs. 1 lit. b FusG alle Aktionäre zustimmen. Bei Aktiengesellschaften oder Kommanditaktiengesellschaften, die von einer GmbH übernommen werden und bei denen im Rahmen der Fusion eine Nachschusspflicht oder eine andere persönliche Leistungspflicht eingeführt wird, bedarf es gemäss Art. 18 Abs. 4 FusG der Zustimmung aller Aktionäre, die davon betroffen sind. Wird eine Aktiengesellschaft oder Kommanditaktiengesellschaft von einer (anderen) Kommanditaktiengesellschaft übernommen, so bedarf es nebst dem Quorum nach Art. 18 Abs. 1 lit. a FusG zusätzlich der Zustimmung all jener Gesellschafter, die in der Kommanditaktiengesellschaft unbeschränkt haften werden (Art. 18 Abs. 3 FusG).666
4.2 GmbH
Bei der GmbH ist gemäss Art. 18 Abs. 1 lit. c FusG die Zustimmung von mindestens zwei Dritteln der an der Generalversammlung vertretenen Stimmen sowie die absolute Mehrheit des gesamten Stammkapitals, mit dem ein ausübbares Stimmrecht verbunden ist, erforderlich. Wird die GmbH von einer Genossenschaft übernommen, so bedarf es gemäss Art. 18 Abs. 1 lit. b FusG der Zustimmung aller Gesellschafter. Wird eine GmbH von einer Kommanditaktiengesellschaft übernommen, so ist nebst dem Quorum nach Art. 18 Abs. 1 lit. c FusG zusätzlich die Zustimmung all jener Gesellschafter erforderlich, die in der Kommanditaktiengesellschaft unbeschränkt haften werden (Art. 18 Abs. 3 FusG).667 Bei der zwangsweisen Abfindung nach Art. 8 Abs. 2 FusG ist das qualifizierte Quorum von 90 % der stimmberechtigten Gesellschafter der (übertragenden) GmbH einzuhalten (Art. 18 Abs. 5 FusG).
Das Stimmrecht bemisst sich nach Art. 806 Abs. 1 OR grundsätzlich immer nach der Höhe der übernommenen Kapitaleinlage, doch können die Statuten Abweichungen vorsehen und beispielsweise ein Kopfstimmrecht einführen.
Der Wortlaut von Art. 18 Abs. 1 FusG geht davon aus, dass die Beschlussfassung in der Generalversammlung erfolgt. Das ist aber bei der GmbH nicht zwingend der Fall, da gemäss Art. 805 Abs. 4 OR auch ein Fusionsbeschluss schriftlich gefasst werden kann, wenn kein Gesellschafter die mündliche Beratung verlangt.
4.3 Genossenschaft
In der Genossenschaft beträgt das erforderliche Zustimmungsquorum im Einklang mit den qualifizierten Mehrheitserfordernissen von Art. 888 Abs. 2 OR zwei Drittel der abgegebenen Stimmen. Sofern mit der Fusion aber eine Nachschusspflicht, andere persönliche Leistungspflichten oder die persönliche Haftung eingeführt oder erweitert wird, bedarf es – in Anlehnung an Art. 889 Abs. 1 OR – der Zustimmung von mindestens drei Vierteln der Genossenschafter.668 Wird eine Genossenschaft von einer Kommanditaktiengesellschaft übernommen, so ist nebst dem Quorum nach Art. 18 Abs. 1 lit. d FusG zusätzlich die Zustimmung all jener Gesellschafter erforderlich, die in der Kommanditaktiengesellschaft unbeschränkt haften werden (Art. 18 Abs. 3 FusG).669
Die Genossenschaft fasst ihre Beschlüsse in der Regel in der Generalversammlung, doch können die Statuten unter gewissen Voraussetzungen eine Urabstimmung zulassen (Art. 880 OR). In der Genossenschaft gilt gemäss Art. 885 OR in allen Fällen zwingend das Kopfstimmprinzip, wonach jeder Gesellschafter in der Generalversammlung oder in der Urabstimmung eine Stimme hat.670
4.4 Kollektiv- und Kommanditgesellschaft
Bei der Kollektivgesellschaft und der Kommanditgesellschaft müssen nach Art. 18 Abs. 2 FusG alle Gesellschafter dem Fusionsvertrag zustimmen. Dies entspricht der allgemeinen Regel für Gesellschaftsbeschlüsse in Kollektiv- und Kommanditgesellschaften, sieht das Gesetz doch dispositiv und unter dem Vorbehalt einer abweichenden Regel im Gesellschaftsvertrag das Einstimmigkeitsprinzip vor.671 Statt Einstimmigkeit ist ein Mehrheitsentscheid denkbar, wobei der Gesellschaftsvertrag in diesem Fall ein Quorum von mindestens drei Vierteln der Gesellschafter vorsehen muss (Art. 18 Abs. 2 FusG). Die Mehrheiten bestimmen sich grundsätzlich anhand der Personenzahl, also nach Köpfen, doch ist das Kopfstimmprinzip nicht zwingend.672
Wird eine Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft von einer Kommanditaktiengesellschaft übernommen, so ist – falls aufgrund des Gesellschaftsvertrags das reduzierte Quorum von drei Vierteln gilt – zusätzlich die Zustimmung all jener Gesellschafter erforderlich, die in der Kommanditaktiengesellschaft unbeschränkt haften werden (Art. 18 Abs. 3 FusG).673
4.5 Verein
Bei Vereinen schreibt Art. 18 Abs. 1 lit. e FusG eine Mehrheit von mindestens drei Vierteln der an einer Generalversammlung anwesenden Mitglieder vor.674 Diese Vorschrift gilt sowohl bei reinen Vereinsfusionen als auch bei rechtsformübergreifenden Fusionen unter Beteiligung von Vereinen.675 In Anlehnung an Art. 66 Abs. 2 ZGB kann der Fusionsbeschluss auch durch eine schriftliche Zustimmung sämtlicher Vereinsmitglieder gefasst werden.676 Wird ein im Handelsregister eingetragener Verein von einer Kommanditaktiengesellschaft übernommen, so ist nebst dem Quorum von Art. 18 Abs. 1 lit. e FusG zusätzlich die Zustimmung all jener Gesellschafter erforderlich, die in der Kommanditaktiengesellschaft unbeschränkt haften werden (Art. 18 Abs. 3 FusG).677
Gemäss Art. 2 lit. h FusG kann anstelle einer Vollversammlung der Vereinsmitglieder eine statutarisch vorgesehene Delegiertenversammlung mit Dreiviertelmehrheit über die Fusion beschliessen. Die Delegiertenbesammlung entspricht insbesondere bei Grossvereinen einem praktischen Bedürfnis und respektiert deren Gestaltungsautonomie. Zwar geht das Vereinsrecht unbestrittenermassen davon aus, dass die Vereinsversammlung ein zwingendes Organ des Vereins ist (Art. 64 ZGB). Genauso unumstritten ist aber auch, dass die Vereinsversammlung in der Form einer Delegiertenversammlung ausgestaltet werden darf.678 Die Interessen des einzelnen Vereinsmitglieds werden insbesondere durch das Austrittsrecht gewahrt, welches das Gesetz in Art. 19 FusG für zwei Monate und mit Rückwirkung auf das Datum des Fusionsbeschlusses einräumt.
Für die Berechnung der Mehrheit in der General- oder Delegiertenversammlung ist auf die Zahl der anwesenden Mitglieder abzustellen. Die Statuten können aber auch ein höheres Mehrheits- oder ein Präsenzquorum vorsehen.