1. Sanierung im Rahmen einer Fusion
Art. 5 FusG (Fusion einer Gesellschaft in Liquidation) und Art. 6 FusG (Fusion von Gesellschaften im Fall von Kapitalverlust oder Überschuldung) enthalten spezifische Vorschriften zum Verfahren einer Fusion, die es im Zusammenhang mit der Sanierung zu beachten gilt. Nachfolgend wird auf diese besonderen Bestimmungen genauer eingegangen.
1.1 Sanierungsfusion
Die einzige spezifische Sanierungsbestimmung im Fusionsgesetz ist Art. 6 FusG zur Fusion von Gesellschaften im Fall von Kapitalverlust oder Überschuldung.1999 Eine Sonderregelung dieses Tatbestands ist primär zum Schutz der Gläubiger der «gesunden» Gesellschaft notwendig. Durch die Fusion mit einer sanierungsbedürftigen Gesellschaft2000 kann sich das Haftungssubstrat der gesunden Gesellschaft vermindern, was die Erfüllung der Verbindlichkeiten gefährdet. Die Sanierungsfusion betrifft auch die Rechte jener Gesellschafter, die bloss über eine Minderheitsbeteiligung verfügen und die Fusion deshalb nicht verhindern können.2001 Die Fusion mit einer Gesellschaft, die einen Kapitalverlust erlitten hat oder überschuldet ist, kann zur Folge haben, dass die Anteile an den anderen (gesunden) Gesellschaften an Wert einbüssen, soweit dies nicht durch die Vereinbarung eines angemessenen Umtauschverhältnisses gemäss Art. 7 FusG ausgeglichen werden kann.2002
Um die Risiken der Gläubiger und Gesellschafter zu begrenzen, hat der Gesetzgeber für die Sanierungsfusion – zusätzlich zu den allgemein geltenden Bestimmungen zum Schutz der Gesellschafter und Gläubiger – besondere Anforderungen definiert. Gemäss Art. 6 Abs. 1 FusG darf eine Gesellschaft, die einen Kapitalverlust oder eine Überschuldung aufweist, nur dann mit einer anderen Gesellschaft fusionieren, wenn diese über frei verwendbares Eigenkapital im Umfang der Unterdeckung bzw. der Überschuldung der sanierungsbedürftigen Gesellschaft verfügt.2003 Das Fusionsgesetz definiert zwar das frei verwendbare Eigenkapital nicht, doch findet sich dieser Begriff in Art. 659 Abs. 1 OR betreffend den Erwerb eigener Aktien. Demnach gelten als frei verwendbares Eigenkapital jene Eigenmittel, welche die gesetzlich vorgeschriebenen Ausschüttungssperren überschreiten. Zu diesen Ausschüttungssperren gehören etwa bei der Aktiengesellschaft das Aktien- und Partizipationskapital, die gesetzlichen Reserven (soweit sie die Hälfte des Aktien- und Partizipationskapitals nicht übersteigen), die Reserven für eigene Aktien, die Aufwertungsreserven und etwaige statutarisch gebundene Sonderreserven. Das darüber hinausgehende Eigenkapital kann gemäss Art. 659 Abs. 1 OR zum Erwerb eigener Aktien verwendet werden.2004 Nach unserer Ansicht ist der Begriff des frei verwendbaren Eigenkapitals in Art. 6 Abs. 1 FusG entsprechend bzw. nach den obligationenrechtlichen Bestimmungen zum Kapitalschutz auszulegen.2005
Vom Erfordernis des frei verwendbaren Eigenkapitals darf abgesehen werden, soweit Gläubiger der fusionierenden Gesellschaften im Ausmass des Kapitalverlusts oder der Überschuldung Rangrücktritte gegenüber allen anderen Gesellschaftsgläubigern erklären (Art. 6 Abs. 1 FusG).2006 Aufgrund der Wortwahl des Gesetzgebers – «Gläubigerinnen und Gläubiger der an der Fusion beteiligten Gesellschaften» – ist davon auszugehen, dass es nicht darauf ankommt, gegenüber welcher Gesellschaft bzw. ihren Gläubigern der Rangrücktritt erklärt wird. Dies ist ohne Weiteres verständlich, da sich nach der Fusion die Rangrücktritte in beiden Fällen zugunsten der übernehmenden Gesellschaft auswirken.2007 Werden jedoch keine im Umfang genügenden Rangrücktritte erklärt, darf die Fusion nur erfolgen, wenn die gesunde Gesellschaft – sei es die übertragende oder die übernehmende Gesellschaft – über genügend frei verwendbare Eigenmittel verfügt, um das Defizit der sanierungsbedürftigen Gesellschaft zu kompensieren. Eine Fusion, an der nur überschuldete Gesellschaften beteiligt sind, ist deshalb ohne entsprechende Rangrücktritte von vornherein ausgeschlossen.
Das Vorliegen mindestens einer dieser Voraussetzungen (frei verwendbares Eigenkapital oder genügende Rangrücktritte) muss von einem zugelassenen Revisionsexperten geprüft und bestätigt werden. Art. 6 Abs. 2 FusG schreibt vor, dass das oberste Leitungs- oder Verwaltungsorgan der übernehmenden Gesellschaft dem Handelsregisteramt bei der Anmeldung eine solche Bestätigung des Revisionsexperten als Beleg einzureichen hat.2008 Gemäss Art. 131 Abs. 1 lit. b HRegV müssen bei jeder Fusion alle an der Fusion beteiligten Gesellschaften ihre Bilanzen einreichen, was für die Durchsetzung von Art. 6 FusG zentral ist. Die Einreichung der Bestätigung eines Revisionsexperten ist nicht erforderlich, falls der Kapitalverlust vor dem Vollzug der Fusion durch Ausbuchung des Verlustvortrags bzw. durch eine deklarative Kapitalherabsetzung beseitigt wird.2009
Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Regelung der Sanierungsfusion im Fusionsgesetz die verantwortlichen Organe nicht von ihren gesellschaftsrechtlichen Handlungspflichten bei Kapitalverlust und Überschuldung entbindet.2010 Aufgrund einer Sanierungsfusion kann aber unter Umständen zumindest vorübergehend eine Benachrichtigung des Richters nach Art. 725 Abs. 2 OR verhindert werden2011 oder der Richter kann gemäss Art. 725a Abs. 1 OR die Konkurseröffnung aufschieben, wenn aufgrund der Fusion Aussicht auf Sanierung besteht.
1.2 Fusion mit einer Gesellschaft in Liquidation
Das Fusionsgesetz regelt ferner in Art. 5 FusG den Fall der Fusion mit einer Gesellschaft in Liquidation.2012 Art. 5 FusG findet allerdings nur auf diejenigen Fälle Anwendung, in denen die Gesellschaft aufgrund eines Auflösungsbeschlusses der Gesellschafter liquidiert wird (freiwillige Liquidation). Falls die Auflösung dagegen durch den Richter oder eine andere Behörde verfügt wurde, können die Gesellschaftsorgane grundsätzlich keine Fusion mehr beschliessen.2013 Bei der Fusion mit einer Gesellschaft in Liquidation muss es sich nicht notwendigerweise um eine Massnahme der Unternehmenssanierung handeln. Liegt gleichzeitig ein Sanierungsfall vor, gelten zusätzlich die Vorschriften zur Sanierungsfusion gemäss Art. 6 FusG. Art. 5 FusG regelt das Verfahren, das einzuhalten ist, wenn eine Gesellschaft in Liquidation mit einer anderen, sich nicht in Liquidation befindenden Gesellschaft fusionieren möchte.
Die Fusion mit einer Gesellschaft in Liquidation ist gemäss Art. 5 Abs. 1 FusG zulässig, wenn es sich bei der sich in Liquidation befindenden Gesellschaft um die übertragende Rechtseinheit 2014 handelt und wenn mit der Vermögensverteilung noch nicht begonnen wurde. Wurde mit der Verteilung bereits angefangen, kommt nur noch eine Vermögensübertragung gemäss Art. 69 ff. FusG infrage.2015 Die Fusion zweier (oder mehrerer) sich in Liquidation befindenden Gesellschaften stünde im Widerspruch zum Zweck der Liquidation und ist daher ausgeschlossen,2016 es sei denn, die Liquidation mindestens einer Gesellschaft könne widerrufen werden. Ebenso wäre es unsinnig, wenn die sich in Liquidation befindende Gesellschaft als übernehmende Gesellschaft an der Fusion teilnimmt. Auch letztere Konstellation ist daher unter dem Vorbehalt des Widerrufs der Liquidation nicht zulässig. Der Umstand, dass bereits Liquidationshandlungen vorgenommen wurden,2017 schadet jedoch nicht, solange noch kein Vermögen an die Gesellschafter verteilt worden ist. Nach diesem Moment können nämlich weder die Kontinuität des Vermögens und der Mitgliedschaft noch – zumindest bei Kapitalgesellschaften – die Einhaltung der Gläubigerschutzbestimmungen vollumfänglich gewährleistet werden.2018
Das oberste Leitungs- oder Verwaltungsorgan2019 muss gegenüber dem Handelsregisteramt bestätigen, dass mit der Verteilung des Vermögens unter die Gesellschafter noch nicht begonnen wurde.2020