4. Umtauschverhältnis

99

Das Umtauschverhältnis drückt die Quote der Fusionspartner am Fusionsprodukt (d.h. am verschmolzenen Unternehmen) arithmetisch aus, indem es ihre Anteile zueinander ins Verhältnis setzt.154 Das Umtauschverhältnis ist unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände und damit auch der Synergien auszuhandeln.155 Aufgrund der Interessengegensätze der beiden Fusionspartner156 ist immer zu bedenken, dass das Umtauschverhältnis kein eindeutig bestimmbarer Wert ist, sondern das Ergebnis einer Verhandlung der beteiligten Parteien darstellt.157 In diesem Verhandlungsprozess können auch subjektive und schwer erfassbare Faktoren ins Gewicht fallen, wobei den Leitungs- oder Verwaltungsorganen dabei ein gewisser Spielraum offensteht.158 Begrenzt wird dieser Spielraum durch den Standard der Angemessenheit i.S.v. Art. 105 FusG sowie den Grundsatz der Wahrung der mitgliedschaftlichen Kontinuität.159

100

Beispiel:

Fusionsprodukt

Gesellschaft A

Gesellschaft B

«Stand alone»-Wert (CHF)

6 400 000

4 500 000

1 900 000

Synergien abzügl. ­Trans­aktionskosten (CHF)

600 000

500 000

100 000

Fusionswert (CHF)

7 000 000

5 000 000

2 000 000

Quote

5/7

2/7

Zugewiesene Synergien

5/6

1/6

101

Für Gesellschaft A beträgt der ausgehandelte Anteil am Fusionsprodukt CHF 5 000 000. Der Anteil der Gesellschaft B am Fusionsprodukt beträgt CHF 2 000 000. Die Synergien wurden also in der Höhe von CHF 500 000 den bisherigen A-Gesellschaftern und in der Höhe von CHF 100 000 den bisherigen B-Gesellschaftern zugeteilt. In einer Situation, in der die Gesellschaft A spezifische Synergien nutzen kann, kann eine solche Aufteilung angemessen i.S.v. Art. 105 FusG sein.160

102

Die Bedeutung der Berücksichtigung der Synergien für die Berechnung des Umtauschverhältnisses kann auch anhand folgender Beispiele erläutert werden.

4.1 Abfindungsfusion
103

Im Rahmen einer Abfindungsfusion werden die Aktionäre des übertragenden Rechtsträgers mit einer Barabfindung abgegolten.161 Reflektieren die als Basis der Berechnung der Barabfindung herbeigezogenen Unternehmenswerte die Synergien nicht, so erhalten die Aktionäre des übertragenden Rechtsträgers keine Entschädigung für den von diesem generierten Anteil der Synergien. Diese werden vom fusionierten Rechtsträger realisiert, an welchem die bisherigen Aktionäre des übertragenden Rechtsträgers nicht mehr beteiligt sind. Eine die Synergien nicht berücksichtigende Abfindung kann Anlass für eine Klage nach Art. 105 FusG geben.

4.2 Fusion unter Berücksichtigung der mitgliedschaftlichen Kontinuität
104

Werden die Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers mit Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten des übernehmenden Rechtsträgers abgegolten, so ist das Umtauschverhältnis ein anderes, je nachdem, ob die zur Berechnung herbeigezogenen Unternehmenswerte die Synergien der Fusion berücksichtigen oder nicht.

105

Dies kann anhand des folgenden Beispiels illustriert werden (übertragender Rechtsträger A, übernehmender Rechtsträger B, Synergien total 400):

Fall

«Stand alone»-Wert

Zuteilung der Synergien

«Stand alone»-
Wert inkl. ­Synergien

Erhaltene B-Anteile je A-Anteil

1

Rechtsträger A

500

Keine Zuteilung

500

0,5

Rechtsträger B

1000

1000

2

Rechtsträger A

500

133

633

0,5

Rechtsträger B

1000

266

1266

3

Rechtsträger A

500

200

700

0,583

Rechtsträger B

1000

200

1200

4

Rechtsträger A

500

0

500

0,357

Rechtsträger B

1000

400

1400

5

Rechtsträger A

500

400

900

0,9

106

Ohne Berücksichtigung der Synergien erhält ein Gesellschafter von A lediglich 0,5 B-Anteile pro eingetauschten A-Anteil (Fall 1). Dasselbe gilt, wenn die Synergien im Verhältnis zum «Stand alone»-Wert der beteiligten Rechtsträger berechnet werden (Fall 2). Demzufolge werden nicht allozierte Synergien ­faktisch proportional zum «Stand alone»-Wert der beteiligten Rechtsträger zwischen deren Gesellschaftern verteilt. Dies kann gerechtfertigt sein, wenn alle beteiligten Rechtsträger im selben Geschäftsbereich tätig sind, sodass ihnen ein proportionaler Anteil an den Synergien des Zusammenschlusses zusteht. Sobald der übernehmende Rechtsträger jedoch nur deswegen einen höheren «Stand alone»-Wert aufweist, weil er auch in anderen Geschäftsbereichen tätig ist, erweist sich diese Zuordnung der Synergien, wie bereits erwähnt, als nicht sachgerecht.

107

Werden die Synergien A und B je zur Hälfte zugeteilt, erhält ein Gesellschafter von A 0,583 B-Anteile pro A-Anteil (Fall 3). Dass die Zuordnung aller Synergien zum einen oder andern Rechtsträger das Austauschverhältnis zugunsten dieses Rechtsträgers verschiebt, erstaunt nicht (Fälle 4 und 5). Dies zeigt, dass die Berücksichtigung der spezifischen Beiträge der beteiligten Rechtsträger im Rah­men der Zuordnung der Synergien für die Aushandlung und Berechnung eines angemessenen Umtauschverhältnisses von grosser praktischer Bedeutung ist.