3. FusG und Rechnungslegung
Das FusG vereinfacht Umstrukturierungen in Form von Asset Deals: Bei den vier Transaktionsarten nach FusG entfallen Formvorschriften, die sonst – bei Vermögensübertragung per Singularsukzession (Einzelrechtsnachfolge) oder bei Vermögensübernahme (Art. 181 OR) – beachtet werden müssten: Bei Fusion, Spaltung und Vermögensübertragung (i.e.S.) kommt es zur Universalsukzession (Gesamtrechtsnachfolge); bei der Umwandlung werden sowieso keine Rechtsbeziehungen übertragen. Das FusG sieht die genannten Transaktionsarten für einen je bestimmten Kreis von Rechtsformen vor; darüber hinaus gilt es, eine gewünschte Umstrukturierung mittels anderer Transaktionen zu erreichen.
Das FusG verlangt vom übertragenden Rechtsträger (im Weiteren verkürzt «Überträger») bzw. umzuwandelnden Rechtsträger eine besondere Bilanz, ohne aber deren Erstellung zu regeln2366 – wie es auch die Erfassung beim übernehmenden Rechtsträger (im Weiteren verkürzt «Übernehmer») bzw. umgewandelten Rechtsträger nicht regelt. Dabei schreibt es den an einer Fusion oder Spaltung «beteiligten» Unternehmen bzw. dem umzuwandelnden Unternehmen die Erstellung einer «Zwischenbilanz» vor, falls der Stichtag der letzten Jahresbilanz mehr als sechs Monate zurückliegt oder seit diesem Stichtag «wichtige Änderungen in der Vermögenslage […] eingetreten» sind.2367 Andernfalls ist die besondere Bilanz des Überträgers bzw. umzuwandelnden Rechtsträgers gleichwohl vorgeschrieben, wenn auch zulässigerweise auf den Stichtag der letzten Jahresbilanz (vereinfachend wird sie mit dieser meist gleichgesetzt). Eine «logische Sekunde» danach ist der massgebende Zeitpunkt für die Einbuchung beim Übernehmer bzw. umgewandelten Unternehmen.
Im Übrigen gelten mangels Regelung die Vorschriften zur Jahresbilanz.2368 Das betrifft Bilanzierung, Bewertung und Darstellung. Einen entsprechenden Verweis macht das FusG immerhin bezogen auf die «Zwischenbilanz» (Art. 11 Abs. 2, Art. 35 Abs. 2 und Art. 58 Abs. 2 FusG). Deren Erstellung «erfolgt gemäss den Vorschriften und Grundsätzen für den Jahresabschluss unter Vorbehalt folgender Vorschriften»:
- Eine «körperliche Bestandesaufnahme» (d.h. physische Inventur) ist nicht notwendig. Bei der Jahresbilanz sind allerdings Bestandesnachweise ohne Inventar ebenfalls zulässig (Art. 958c Abs. 2 OR).
- Die Werte gemäss letzter Jahresbilanz sind «nur nach Massgabe der Bewegungen in den Geschäftsbüchern» fortzuschreiben. Diese Formulierung verkennt, dass die Rechnungslegung auf der Buchführung gründet (Art. 957a Abs. 1 OR). Gemeint sein dürfte, dass lediglich Veränderungen im sog. Mengengerüst, mithin Zu- und Abgänge von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten i.S.v. Art. 959 OR, zu berücksichtigen sind. Diese Erleichterung wird faktisch aber wieder aufgehoben, indem Abschreibungen (pro rata temporis), Wertberichtigungen und Rückstellungen (per Zwischenbilanzstichtag) gleichwohl zu erfassen sind.2369
Das FusG scheint davon auszugehen, dass sich ohne «Zwischenbilanz» gar keine Besonderheiten stellen.2370
Weil bereits die Erstellung (und allfällige Prüfung) der Jahresrechnung einige Zeit in Anspruch nimmt, bedeutet die erwähnte Sechs-Monats-Frist, dass für die Umstrukturierung – sollen die mit einem Zwischenabschluss verbundenen Kosten vermieden werden – nur ein kleines Zeitfenster zur Verfügung steht. Wie erwähnt ist aber die Zwischenbilanz bei wichtigen Veränderungen der Vermögenslage unumgänglich. Sie kann sodann im Interesse der beteiligten Unternehmen und Anteilseigner2371 liegen (z.B. soweit Unternehmen unterschiedliche Bilanzstichtage haben oder bisher lediglich i.S.v. Art. 957 Abs. 2 OR Buch geführt haben). Dennoch werden Umstrukturierungen nach FusG zumeist aufgrund der letzten Jahresbilanz der beteiligten Unternehmen vorgenommen.2372
Zweck der Fusions-, Spaltungs- oder Umwandlungsbilanz ist der Einblick der beteiligten Unternehmen, ihrer Anteilseigner2373 und des Handelsregisters in die Verhältnisse des Überträgers bzw. umzuwandelnden Rechtsträgers für Vereinbarung, Beschluss und Eintragung der Umstrukturierung. Bei einer Kapitalerhöhung oder Neugründung des Übernehmers bzw. umgewandelten Rechtsträgers dokumentiert die Sonderbilanz, dass das Nettovermögen des Überträgers bzw. umzuwandelnden Rechtsträgers dem Nominalbetrag des Grundkapitals beim Übernehmer bzw. umgewandelten Rechtsträger unmittelbar nach der Umstrukturierung mindestens entspricht. Sie ist sodann Grundlage zur Einbuchung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten beim Übernehmer bzw. umgewandelten Rechtsträger im Rahmen der «Buchwertfortführung»2374 sowie zur Abgrenzung des Ergebnisses des Überträgers von demjenigen, das ggf. bereits für Rechnung des Übernehmers erwirtschaftet wurde. Die Sonderbilanz dient nicht den Gläubigern (die sie von Gesetzes wegen nicht einsehen können): Dazu wäre «eine Pro-Forma-Bilanz notwendig, welche die Situation der an der Umstrukturierung beteiligten Gesellschaften nach Vollzug der Umstrukturierung darstellt.»2375 Auch wenn sie mit der Jahresbilanz sogar zusammenfallen darf, ist ihr Zweck also ein anderer.2376