4. Sanierung im Rahmen einer Vermögensübertragung
Mit dem Rechtsinstitut der Vermögensübertragung nach Art. 69 Abs. 1 FusG kann eine im Handelsregister eingetragene Gesellschaft2038, Kommanditgesellschaft für kollektive Kapitalanlagen, SICAV oder Einzelfirma ihr ganzes Vermögen oder Teile davon in einem Akt (partielle Universalsukzession) auf einen anderen Rechtsträger übertragen.2039 Im vorliegenden Zusammenhang interessiert die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Vermögensübertragung als Sanierungsmassnahme herangezogen werden kann.
Das Fusionsgesetz nimmt nicht explizit auf Sanierungsfälle Bezug, stellt aber für sämtliche Vermögensübertragungen klare Vorschriften auf.2040 Zunächst bleiben nach Art. 69 Abs. 2 FusG die gesetzlichen und statutarischen Vorschriften über den Kapitalschutz und die Liquidation vorbehalten. Dieser Vorbehalt ist wesentlich für jene Vermögensübertragungen, die bei einem der beteiligten Rechtsträger zu einer Beeinträchtigung der Kapitalbasis oder zu einer Liquidation führen könnten. Weiter sind gemäss Art. 71 Abs. 1 lit. b FusG die zu übertragenden Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, d.h. alle Aktiven und Passiven, in einem Inventar aufzuführen. Die Vermögensübertragung ist von Gesetzes wegen nur zulässig, wenn dieses Inventar einen Aktivenüberschuss aufweist (Art. 71 Abs. 2 FusG).
Das Erfordernis des Aktivenüberschusses in Art. 71 Abs. 2 FusG schützt die Gläubiger des übernehmenden Rechtsträgers davor, dass deren Haftungssubstrat beim übernehmenden Rechtsträger aufgrund dieser Transaktion verringert wird.2041 Deshalb muss der Aktivenüberschuss unseres Erachtens aus der Perspektive des übernehmenden Rechtsträgers beurteilt werden.2042 Im Rahmen der einschlägigen Rechnungslegungsvorschriften2043 kann der Bilanzwert der übernommenen Aktiven und Passiven aus der Sicht des übernehmenden Rechtsträgers durchaus ein anderer (insbesondere ein höherer) sein als beim übertragenden Rechtsträger, etwa wenn sich für gewisse Aktivposten neue Nutzungsmöglichkeiten ergeben oder wenn durch die Transaktion sonstige Synergien entstehen. Der übernehmende Rechtsträger kann gegebenenfalls auch einen Goodwill aus der Transaktion aktivieren, soweit dieser Goodwill einem Werthaltigkeitstest («Impairment Test») standhält. Eine Vermögensübertragung zur Sanierung ist also immer dann zulässig, wenn der übernehmende Rechtsträger die übernommenen Aktiven und Passiven – allenfalls auch unter Berücksichtigung eines Goodwills – mit einem Aktivenüberschuss bilanzieren kann.
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann die Vermögensübertragung auch im Rahmen einer Sanierung erfolgen, wobei das Fusionsgesetz selber keine besonderen Vorschriften über die Angemessenheit oder die Bewertung der Aktiven und Passiven oder über die Angemessenheit der Gegenleistung aufstellt.2044