2. Fusionsbericht

2.1 Zweck und Zuständigkeit
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Die obersten Leitungs- oder Verwaltungsorgane der an der Fusion beteiligten Gesellschaften haben die Transaktion in einem schriftlichen Fusionsbericht rechtlich und wirtschaftlich zu erläutern (Art. 14 FusG). Der Fusionsbericht soll die Angaben im Fusionsvertrag mit den Informationen ergänzen, die notwendig sind, damit die Gesellschafter in Kenntnis aller für sie wesentlichen Umstände über die Fusion beschliessen können.234 Diese Transparenz ist dann besonders wichtig, wenn die Träger der obersten Exekutivfunktionen nicht mit den Gesellschaftern identisch sind und deshalb eine Informationsasymmetrie besteht oder wenn die Fusion die Interessen von Gesellschaftern mit Minderheitsbeteiligungen gefährden könnte.235

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In der Lehre ist umstritten, ob der Fusionsbericht einzig die Gesellschafter oder auch die Gläubiger schützen soll. Relevant ist diese Frage insbesondere bei Fusionen von KMU, bei denen die Gesellschafter von ihrem Recht Gebrauch gemacht haben, auf die Erstellung eines Fusionsberichts zu verzichten (Art. 14 Abs. 2 FusG). Ist bei einer Fusion eine Kapitalerhöhung notwendig, so ersetzen der Fusionsbericht und die Fusionsprüfung im Normalfall z.B. den aktienrechtlichen Kapitalerhöhungsbericht und die Prüfungsbestätigung. Machen die Gesellschafter bei einer KMU-Fusion von ihrem Recht Gebrauch, auf den Fusionsbericht und dessen Prüfung zu verzichten,236 entfällt nach der Praxis gewisser Handelsregisterämter die Befreiung von den Sacheinlagevorschriften.237 Einzelne Autoren sehen darin einen Beleg dafür, dass der Fusionsbericht über die Gesellschafter hinaus auch die Gläubiger schützen soll.238

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Direkte Adressaten des Fusionsberichts sind allerdings ausschliesslich die Gesellschafter. Eine Veröffentlichung des Fusionsberichts, wie sie notwendig wäre, um direkt auch die Gläubiger zu adressieren, schreibt das Gesetz nicht vor. Bei KMU-Fusionen können die Gesellschafter zudem gerade auf die Erstellung eines Fusionsberichts verzichten. Aus falschen Angaben in einem Fusionsbericht könnten Gläubiger deshalb nur soweit etwas ableiten, als sie zeigen können, dass die Fusion bei korrekter Darstellung nicht zustande gekommen wäre, etwa weil die Gesellschafter die Zustimmung verweigert hätten. Über ihre primäre Funktion als Teil der Entscheidungsgrundlagen für den Fusionsentscheid der Gesellschafter hinaus leisten der Fusionsbericht und seine Prüfung durch einen zugelassenen Revisionsexperten aber auch einen Beitrag zur Sicherung der Integrität der ganzen Transaktion. Indirekt kommt dies auch den Interessen der Gläubiger zugute. Insofern ist die oben erwähnte Praxis gewisser Handelsregisterämter unseres Erachtens daher auch richtig.

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Gemäss Art. 14 Abs. 1 FusG ist der Fusionsbericht durch die obersten Leitungs- oder Verwaltungsorgane der beteiligten Gesellschaften zu erstellen. Die Vorbereitung des Berichts kann delegiert werden, allerdings liegt die Verantwortung für den Inhalt des Berichts in jedem Fall beim obersten Leitungs- oder Verwaltungsorgan. Mit Blick auf diese Verantwortung kann sich das oberste Leitungs- und Verwaltungsorgan nicht mit einer blossen förmlichen Abnahme eines z.B. von der Geschäftsleitung verfassten Berichts begnügen. Vielmehr hat es sich in der notwendigen Tiefe und Genauigkeit und damit mit angemessenem Zeit­aufwand mit dem Bericht und seinen Aussagen auseinanderzusetzen.239 Der Bericht muss von zwei für die Gesellschaft zeichnungsberechtigten Personen, darunter mindestens einem Mitglied des obersten Leitungs- oder Verwaltungsorgans, unterzeichnet werden.240 Die fusionierenden Gesellschaften können entweder je einzeln oder gemeinsam einen Fusionsbericht erstellen. Adressaten des Berichts sind die Gesellschafter beider Fusionspartner, und zwar unabhängig davon, ob ihnen ein Stimmrecht zusteht oder nicht (Art. 2 lit. f und g FusG). Die Fusionsberichte beider Gesellschaften oder allenfalls der gemeinsame Fusionsbericht sind nach Art. 16 FusG an beiden Gesellschafts­sitzen während 30 Tagen vor der Beschlussfassung zur Einsicht aufzulegen. Auf Verlangen sind den Gesellschaftern Kopien des Berichts abzugeben.241

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Nebst dem Verzicht auf einen Fusionsbericht bei KMU nach Art. 14 Abs. 2 FusG (vorausgesetzt wird die Zustimmung aller Gesellschafter)242 muss auch bei der Fusion zwischen Vereinen gemäss Art. 14 Abs. 5 FusG kein Fusions­bericht erstellt werden.

2.2 Inhalt
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Art. 14 Abs. 3 FusG enthält eine Aufzählung der Pflichtinhalte eines Fusionsberichts, wobei – wie für den Fusionsvertrag – einige Berichtspunkte nur bedingt notwendig sind und je nach Ausgestaltung der Transaktion entfallen können.243 Unseres Erachtens hängt auch der Umfang und Detaillierungsgrad des Fusionsberichts massgeblich von der Komplexität der Transaktion sowie zusätzlich vom Wissensstand der Gesellschafter ab. Der Fusionsbericht muss eine geplante Transaktion so weit erläutern, dass die Gesellschafter in der Lage sind, basierend darauf eine informierte Entscheidung («en connaissance de cause») zu fällen. Der Inhalt des Fusionsberichts lässt sich wie folgt zusammenfassen:

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Bei einer Kombinationsfusion muss dem Fusionsbericht der Entwurf der Statuten der neu zu gründenden Gesellschaft beigelegt werden (Art. 14 Abs. 4 FusG).

2.3 Detaillierungsgrad, Annahmen und Prognosen
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Der Detaillierungsgrad der Informationen wird durch den Zweck des Fusionsberichts bestimmt. Er soll gegenüber den Gesellschaftern Transparenz schaffen und ihnen die wesentlichen259 Informationsgrundlagen liefern, welche für eine selbständige Beurteilung der Transaktion im Hinblick auf den Fusionsbeschluss erforderlich sind.260 Der Fusionsbericht darf als Ganzes weder unrichtig noch irreführend sein. In Analogie zu Art. 752 OR dürfen keine Aussagen gemacht werden, die nicht den Tatsachen entsprechen, und es soll nichts verschwiegen werden, was für das richtige Verständnis des Fusionsvorhabens wesentlich und unerlässlich ist.261 Im Rahmen dieser Grundsätze steht es der Gesellschaft frei, über den gesetzlich zwingenden Inhalt des Fusionsberichts hinauszugehen.

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Relevant erscheint der Detailgehalt von Informationen insbesondere im Spannungsverhältnis zwischen Informationen, die den Gesellschafter im Fusionsbericht bekannt gegeben werden, und Informationen, die den Arbeitnehmern nach Art. 28 FusG i.V.m. Art. 333a OR zur Verfügung gestellt werden. Im Optimalfall folgt die Information und Konsultation der Arbeitnehmer über den Grund des Übergangs eines Betriebs und dessen rechtliche, wirtschaftliche und soziale Folgen in Abstimmung mit den im Fusionsbericht enthaltenen Informationen über die Auswirkungen der Fusion auf die Arbeitnehmenden (Art. 14 Abs. 3 lit. i FusG).262 In der Praxis ist es aber denkbar, dass erst nach Verfassen des Fusionsberichts konkrete Informationen verfügbar sind, z.B. die Schliessung einer Betriebsstätte, welche der Arbeitnehmerschaft nach Art. 333a OR mitgeteilt werden müssen. Solche Informationen sind nach deren Bekanntgabe an die Arbeitnehmer einerseits nicht mehr geheim, andererseits kann es sich dabei um kursrelevante Tatsachen handeln. Insbesondere bei börsen­kotier­ten Gesellschaften lässt sich eine einseitige Information der Arbeitnehmerschaft über potenziell kursrelevante Tatsachen ohne entsprechende In­­formation der Gesellschafter nicht mit der Ad-hoc-Publizität vereinbaren. In Übereinstimmung mit Art. 53 KR sind daher allfällige im Fusionsbericht nicht ent­haltene Informationen den Gesellschaftern im gleichen Zeitpunkt wie der Arbeitnehmerschaft mitzuteilen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Gleichbehandlung der Marktteilnehmer gewährleistet wird (Art. 53 Abs. 3 KR).

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Eine Besonderheit des Fusionsberichts besteht darin, dass er nicht nur auf Fakten basiert, welche die Gegenwart oder die Vergangenheit des Unternehmens betreffen und überprüfbar sind. Vielmehr muss der Fusionsbericht von Gesetzes wegen auch Annahmen über die Zukunft treffen und Prognosen abgeben. Nur so ist es möglich, dass der Bericht die wirtschaftlichen «Folgen» und «Auswirkungen der Fusion» darstellen kann (vgl. Art. 14 Abs. 3 lit. a, i, j FusG). Annahmen und Prognosen sind notwendigerweise mit Unsicherheiten und Risiken verbunden. Zur Handhabung dieser Unabwägbarkeiten im Fusionsbericht kann ebenfalls auf die entsprechenden Regeln für den Emissionsprospekt und die Rechnungslegung abgestellt werden: Falsche Prognosen in Emissionsprospekten können sich haftungsbegründend i.S.v. Art. 752 OR auswirken, wenn diese ohne Abstützung auf konkrete Tatsachen und Wahrscheinlich­keiten erfolgen, kaufmännisch bzw. ökonomisch nicht gerechtfertigt sind oder ungenügend zwischen Tatsachen und Annahmen unterschieden wird und dadurch leichtfertig übertriebene Erwartungen geweckt werden.263 Explizit vorgesehen werden Prognosen als Teil des Lageberichts der Rechnungslegung für grössere Unternehmen (Art. 961c Abs. 2 Ziff. 6 OR). Zweck solcher Angaben zu Zukunftsaussichten ist regelmässig, den Adressaten umfassendere Anhaltspunkte für ihre Beurteilungen zu geben. Die Gesamtlage lässt sich nur umfassend und sinnvoll darstellen, wenn auch voraussichtliche Entwicklungen berücksichtigt werden.264 Für den Gesellschafter als Adressaten des Fusions­berichts ist es wesentlich, zu wissen, welche Informationen im Bericht auf Fakten beruhen und bei welchen Inhalten es sich um Annahmen und Prognosen des Exekutivorgans über den zukünftigen Geschäftsverlauf handelt. Der Grundsatz der Verlässlichkeit verlangt daher, dass der Prognosecharakter der Angaben und auch grössere Unsicherheiten ersichtlich sind.265 Der Informa­tionsgehalt einer Zukunftsprognose hängt entscheidend von ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit ab. Sämtliche Annahmen und Prognosen im Fusionsbericht sollten deshalb klar als solche erkennbar sein und mit dem Hinweis auf die damit verbundenen Unsicherheiten versehen werden. Andernfalls kann der Bericht irreführend wirken, weil er die Risiken der Fusion nicht adäquat wiedergibt. Der Fusionsbericht soll dem Gesellschafter eine möglichst objektive Entscheidungsgrundlage zur Fusion bieten. Er darf nicht zum reinen «Werbe- und Verkaufsprospekt» für die Transaktion verkommen.