1. Gesetzeswortlaut, Materialien und Motive
Der Gesetzeswortlaut lässt die zuvor aufgeworfenen Fragen nach der Möglichkeit der Übertragung von Vertragsverhältnissen ohne Zustimmung aller Vertragsparteien bzw. nach den Konsequenzen eines solchen Übergangs von Vertragsverhältnissen offen. Im Zusammenhang mit der Spaltung führt die Botschaft zum Fusionsgesetz aus, Verträge gingen nicht ohne Weiteres über; für den Wechsel einer Vertragspartei sei grundsätzlich das Einverständnis aller Vertragsparteien erforderlich.1903 Art. 71 Abs. 1 FusG, worin der Inhalt des Übertragungsvertrags umschrieben wird, verlangt in lit. e explizit die Auflistung der mit einer Vermögensübertragung übergehenden Arbeitsverhältnisse. Ein Antrag einer Kommissionsminderheit, diese Bestimmung dahin gehend zu ergänzen, dass auch andere Verträge im Gesetzestext aufzuführen seien, die mit der Vermögensübertragung übergehen sollen, wurde in der parlamentarischen Beratung abgelehnt. Bei der Ablehnung dieser Ergänzung wurde darauf hingewiesen, dass Vertragsverhältnisse grundsätzlich ohne Zustimmung aller beteiligten Vertragsparteien nicht übertragen werden könnten.1904 Obwohl die Frage des Vertragsübergangs sowohl in der Botschaft als auch im Parlament zur Sprache gekommen ist, hat das Parlament darauf verzichtet, im Gesetzestext eine explizite Regelung zu treffen. Die Beantwortung dieser Frage wurde damit letztlich der Praxis überlassen.1905
Gemäss Art. 148 HRegV lehnt das Handelsregisteramt bei Spaltungen und Vermögensübertragungen die Eintragung insbesondere dann ab, wenn die erfassten Gegenstände offensichtlich nicht frei übertragbar sind. Im Zusammenhang mit dieser Bestimmung führen die Erläuterungen zum Entwurf für die Teilrevision der Handelsregisterverordnung vom 19. Dezember 2003 aus, dass die Vermögensübertragung zwar eine Vereinfachung hinsichtlich der Formvorschriften für die Übertragung bringe, aber das materielle Recht, einschliesslich der Übertragungsbeschränkungen, davon nicht tangiert werde. Die geltende Ordnung zur Übertragung von Verträgen gelte auch anlässlich einer Vermögensübertragung. Fehle es namentlich an der Zustimmung der einen Partei, so sei ein Vertrag auch im Rahmen einer Vermögensübertragung nicht übertragbar.1906 Allerdings beschränkt sich die Überprüfung des Handelsregisteramts in der Praxis auf den Inhalt des Übertragungsvertrags nach Art. 71 FusG. Ob ein in einem Inventar aufgeführter Vertrag übergeht oder nicht bzw. ob die Zustimmung sämtlicher Vertragsparteien zur Übertragung des entsprechenden Verhältnisses übergeht, ist von Handelsregisteramt nicht zu beurteilen.1907
Schliesslich lohnt sich ein Blick auf den Zweck des Fusionsgesetzes: Das Fusionsgesetz soll Unternehmensrestrukturierungen erleichtern. Das Erfordernis einer Zustimmung der Gegenpartei zum Übergang des ganzen Vertragsverhältnisses würde z.B. eine Aufspaltung oder die Übertragung eines grösseren Betriebsteils im Rahmen einer Vermögensübertragung erheblich erschweren. Ein Zustimmungserfordernis würde damit im Widerspruch zu einem der Hauptzwecke des Fusionsgesetzes stehen. Umgekehrt verlangt der Grundsatz der Privatautonomie einen angemessenen Schutz vor aufgezwungenen Veränderungen von Schuldverhältnissen.1908 Die Behandlung von Verträgen im Zusammenhang mit Fusionen, Spaltungen und Vermögensübertragungen hat diesen beiden Interessen Rechnung zu tragen und das Fusionsgesetz ist vor diesem Hintergrund auszulegen.1909