7. Besondere Spaltungsverfahren

567

Das Fusionsgesetz sieht auch bei der Spaltung unter gewissen Voraussetzungen Verfahrenserleichterungen für KMU vor. In Analogie zu den entsprechenden Bestimmungen für die Fusion sind bei der Spaltung einer Gesellschaft in Liquidation sowie bei der Sanierungsspaltung einer Gesellschaft mit Kapitalverlust oder Überschuldung zusätzliche Voraussetzungen zu beachten.

568

Spaltungen unter Beteiligung von Stiftungen, Vorsorgeeinrichtungen und Instituten des öffentlichen Rechts sind im Fusionsgesetz nicht vorgesehen, worauf nachfolgend ebenfalls kurz eingegangen wird.

7.1 Erleichterungen für KMU
569

KMU können darauf verzichten, einen Spaltungsbericht zu erstellen (Art. 39 Abs. 2 FusG). Weiter kann ein KMU davon absehen, den Spaltungsvertrag, den Spaltungsbericht und die Spaltungsbilanz durch einen zugelassenen Revisionsexperten prüfen zu lassen (Art. 40 FusG i.V.m. Art. 15 Abs. 2 FusG), sofern das Unternehmen überhaupt zur Spaltungsprüfung verpflichtet ist.1055 Schliesslich können KMU auch auf das Einsichtsverfahren verzichten, falls alle Gesellschafter zustimmen (Art. 41 Abs. 2 FusG).

570

Jedes an einer Spaltung beteiligte KMU entscheidet für sich, ob es von einer oder mehrerer dieser Erleichterungen Gebrauch machen will.1056 Dieser Um­­stand ist von Bedeutung, wenn nicht alle an einer Spaltung beteiligten Gesellschaften als KMU gelten oder wenn mangels Einstimmigkeit nicht alle beteiligten KMU eine Erleichterung vornehmen können.1057

  1. Voraussetzungen
    571

    Die Anwendbarkeit der Erleichterungen setzt kumulativ voraus, dass die Ge­­sellschaft einerseits die gesetzlichen Anforderungen an ein KMU erfüllt und dass sich andererseits sämtliche Gesellschafter der betreffenden Gesellschaft einstimmig für die Erleichterung aussprechen. Als KMU i.S.v. Art. 2 lit. e FusG gelten Gesellschaften, deren Anteilsrechte an keiner Börse kotiert sind und die keine Anleihensobligationen1058 ausstehend haben. Überdies darf die Gesellschaft in den zwei Geschäftsjahren, die der Spaltung unmittelbar vorangehen, nicht gleichzeitig zwei der drei folgenden quantitativen Schwellen überschritten haben: a) Bilanzsumme von 20 Millionen Franken; b) Umsatzerlös von 40 Millionen Franken; c) 250 Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt.

    572

    Die Zustimmungserklärung der Gesellschafter ist keiner besonderen gesetzlichen Formvorschrift unterstellt; sie wird aus Beweisgründen in aller Regel schriftlich erfolgen, kann aber auch mündlich abgegeben werden.1059 Ein ge­­nereller statutarischer Vorausverzicht für unbestimmte zukünftige Umstruk­turierungen ist unzulässig. Praktisch gesehen kann damit die Zustimmung entweder im Rahmen eines einstimmigen Beschlusses einer Generalversammlung erfolgen, an welcher sämtliche Gesellschafter anwesend sind, oder durch schriftliche Erklärung jedes einzelnen Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft.1060 Zum Zeitpunkt des Verzichts äussert sich das Gesetz nicht. Grundsätzlich sind Verzichtserklärungen einzuholen, bevor die Einsichtsfrist be­­ginnt.1061 Da die Zustimmung zum Verzicht in Bezug auf ein konkretes Spaltungsvorhaben abzugeben ist, kann sie jedoch vernünftigerweise erst abgegeben werden, wenn der Spaltungsvertrag vorliegt.1062

    573

    Das Erfordernis der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter ist eine hohe Hürde. Aus gesetzessystematischer Sicht stellt sich deshalb die Frage, warum die Erleichterungen nur den KMU und nicht allen Gesellschaften offenstehen. Aus der Entstehungsgeschichte des Fusionsgesetzes geht aber klar hervor, dass der Gesetzgeber diese Privilegierung ausschliesslich für KMU einführen wollte.1063 Nichtsdestotrotz wird in der Lehre die Meinung vertreten, dass die Erleichterungen für KMU zumindest auf hundertprozentige Konzerngesellschaften anzuwenden sind.1064

  2. Besonderheit bei der Handelsregisteranmeldung
    574

    Verzichtet eine Gesellschaft insbesondere auf das Erstellen des Spaltungsberichts oder auf die Spaltungsprüfung, so ergibt sich gemäss Art. 134 Abs. 2 HRegV bei der Anmeldung der Spaltung zur Eintragung ins Handelsregister folgende Besonderheit: Das oberste Leitungs- oder Verwaltungsorgan hat in diesem Fall bei der Anmeldung anstelle des Prüfungsberichts als Beleg eine Bestätigung einzureichen, wonach die Gesellschaft die Anforderungen an ein KMU gemäss Art. 2 lit. e FusG erfüllt und sämtliche Gesellschafter auf die Erstellung des Spaltungsberichts oder auf die Spaltungsprüfung verzichten. Die Bestätigung muss auf die dafür massgeblichen Unterlagen Bezug nehmen, namentlich auf die Erfolgsrechnungen, Bilanzen oder Jahresberichte der letzten zwei Geschäftsjahre sowie auf die schriftlichen Verzichtserklärungen sämtlicher Gesellschafter oder das Protokoll der Generalversammlung, an welcher sämtliche Gesellschafter anwesend waren und den betreffenden KMU-Erleichterungen einstimmig zugestimmt haben.

  3. Sacheinlagevorschriften
575

Kommt es im Rahmen einer Spaltung zu einer Kapitalerhöhung (Spaltung zur Übernahme) oder zu einer Neugründung (Spaltung zur Neugründung), so sind gemäss Art. 33 Abs. 2 FusG und Art. 34 FusG die rechtsformspezifischen Sacheinlagevorschriften nicht anwendbar.1065 Diese Erleichterung ist dadurch gerechtfertigt, dass mit dem Erfordernis des Spaltungsberichts und der Spaltungsprüfung äquivalente Schutzmechanismen gelten.1066 Verzichtet nun aber ein KMU – bei dem diese Dokumente nicht erforderlich sind – auf die Er­­stellung eines Spaltungsberichts und auf die Spaltungsprüfung, so müssen die rechtsformspezifischen Sacheinlagevorschriften dennoch beachtet werden, damit auch die Interessen der Gläubiger der betreffenden Gesellschaften angemessen gewahrt bleiben.1067

7.2 Erleichterte Spaltung von Kapitalgesellschaften
576

Im Unterschied zur Fusion (vgl. Art. 23 und 24 FusG) sieht das Gesetz für die Spaltung kein vereinfachtes Verfahren für Kapitalgesellschaften mit qualifizierten Beteiligungsverhältnissen vor. Der Hauptgrund für diese Diskrepanz mag im Umstand liegen, dass die Spaltung wegen der Verringerung des Haftungssubstrats für die Gläubiger mit mehr Risiken verbunden ist als die Fusion.1068 Ein Verzicht auf einen Beschluss der Generalversammlung ist im Gesetz nur für die Fusion als expliziter Spezialfall vorgesehen; für eine analoge Anwendung dieser Bestimmung auf die Spaltung besteht hingegen keine rechtliche Grundlage. In der Lehre und Praxis wird daher die erleichterte Spaltung von Kapitalgesellschaften abgelehnt und Spaltungen ohne Spaltungsbeschluss werden von den Handelsregisterämtern nicht eingetragen.1069

7.3 Spaltung einer Gesellschaft in Liquidation
577

Aufgrund der bereits aufgezeigten Parallelen zwischen Fusion und Spaltung sowie der grundsätzlichen Zulässigkeit des Widerrufs eines Auflösungsbeschlusses1070 bejaht die herrschende Lehre die analoge Anwendung von Art. 5 FusG über die Fusion einer Gesellschaft in Liquidation auf die Spaltung einer Gesellschaft in Liquidation; dieser Ansatz ist unseres Erachtens gerechtfertigt.1071 Dementsprechend kann sich eine Gesellschaft in Liquidation als übertragende Gesellschaft an einer Spaltung beteiligen, solange noch nicht mit der Vermögensverteilung an die Gesellschafter begonnen wurde. Der Spaltungs­beschluss beinhaltet in diesem Fal implizit auch den Widerruf des Auflösungsbeschlusses.1072 Damit die Spaltung in einem solchen Fall vollzogen werden kann, muss das oberste Leitungs- oder Verwaltungsorgan bei der Handels­registeranmeldung als Beleg eine Bestätigung einreichen, dass mit der Vermögensverteilung noch nicht begonnen wurde.1073 Die Spaltung einer Gesellschaft in Liquidation ist nur zulässig, wenn sich die Gesellschaft aufgrund eines Auflösungsbeschlusses der Gesellschafter oder infolge Eintritts eines statutarischen Auflösungsgrunds (und nicht etwa infolge richterlicher Auflösung oder Konkurseröffnung) in Liquidation befindet.1074

7.4 Sanierungsspaltung
578

Bei der Spaltung muss das übertragene Teilvermögen aus der Sicht der übernehmenden Gesellschaft grundsätzlich einen Aktivenüberschuss aufweisen.1075 Zur Wahrung der mitgliedschaftlichen Kontinuität sollte nämlich der Nominalwert der ausgegebenen bzw. neu auszugebenden Anteilsrechte durch den Wert des übertragenen Teilvermögens gedeckt sein; ansonsten läge eine unzulässige Unter-pari-Emission vor.1076 Ist eine Gesellschaft nur wegen Liquiditätsproblemen sanierungsbedürftig, so kann eine Sanierung durch eine Spaltung zur Übernahme erfolgen, in deren Rahmen ein liquiditätsintensiver Unternehmensbereich auf eine Gesellschaft mit genügender Liquidität übertragen wird.

579

Abgesehen davon ist nach der herrschenden Lehre Art. 6 FusG betreffend Fusion von Gesellschaften im Fall von Kapitalverlust oder Überschuldung analog auch für die Spaltung zur Übernahme anwendbar, und zwar auch dann, wenn die übertragenen Aktiven und Passiven keinen Aktivenüberschuss aufweisen.1077 In Analogie zu Art. 6 FusG ist eine solche Sanierungsspaltung unter folgenden Voraussetzungen möglich: Die übernehmende Gesellschaft muss über genügend frei verwendbares Eigenkapital1078 verfügen oder die Gläubiger der Forderungen, die übertragen werden oder gegenüber der übernehmenden Gesellschaft bestehen, müssen in entsprechendem Umfang einen Rangrücktritt erklären. Zudem hat analog Art. 6 Abs. 2 FusG ein zugelassener Revisions­experte das Vorliegen einer dieser Voraussetzungen zu bestätigen. Diese Bestätigung muss bei der Anmeldung der Sanierungsspaltung zur Eintragung ins Handelsregister als Beleg eingereicht werden.1079

7.5 Stiftungen, Vorsorgeeinrichtungen, Institute des öffentlichen Rechts
580

Die Spaltung ist bei Stiftungen (Art. 80 ff. ZGB), Vorsorgeeinrichtungen1080 und Instituten des öffentlichen Rechts1081 nicht vorgesehen. Aufgrund ihrer mitgliedschaftsrechtlichen Komponente würde die Spaltung als Umstrukturierungsmassnahme insbesondere bei Stiftungen keinen Sinn machen, da die Stiftung als Anstalt keine Mitglieder aufweist.1082 Stiftungen können sich aber an einer Vermögensübertragung beteiligen, mit welcher wirtschaftlich betrachtet ähnliche Resultate erzielt werden können wie mit einer Spaltung.1083 Weniger evident ist der Ausschluss der Spaltung bei den Instituten des öffentlichen Rechts. Immerhin kann gesagt werden, dass eine solche Transaktion in erster Linie öffentlich-rechtliche Folgen hat.1084 Folglich können auch die Institute des öffentlichen Rechts in umfassender Weise Vermögensübertragungen auf beliebige andere Rechtsträger vornehmen (Art. 99 Abs. 2 FusG).1085 Weshalb bei Vorsorgeeinrichtungen das Institut der Spaltung ausgeschlossen ist, erklärt die Botschaft zum Fusionsgesetz nicht. Soweit es sich um eine Vorsorgeein­richtung in der Rechtsform der Stiftung handelt, können für das Fehlen die gleichen Gründe wie zu den übrigen Stiftungen angeführt werden. Ist eine Vorsorgeeinrichtung dagegen als Genossenschaft ausgestaltet, wäre eine Spaltung strukturell durchaus denkbar; gleichwohl sieht das Fusionsgesetz die Spaltung auch für diesen Fall nicht vor. Da aber Vorsorgeeinrichtungen ihr Vermögen im Rahmen von Art. 98 FusG auf beliebige andere Rechtsträger übertragen und damit wirtschaftlich ein der Spaltung vergleichbares Ergebnis erzielen können, wiegt das Fehlen der Spaltung im Ergebnis nicht schwer.1086