2. Interessenkonflikte im Besonderen
Der Schutz durch Art. 105 FusG wird für die Gesellschafter dann besonders wichtig, wenn das oberste Leitungs- oder Verwaltungsorgan bei der Festlegung des Umtauschverhältnisses nicht ausschliesslich die Interessen der Gesellschaft und ihrer Teilhaber wahrnimmt, die von Gesetzes wegen zu beachten sind.2205 Die Gefahr divergierender Interessen kann auftreten, wenn die Unternehmensführung personell nicht identisch ist mit den Gesellschaftern und ihre Eigeninteressen über die Interessen der Geselschaft stellt. Ein solcher Interessenkonflikt kann dazu führen, dass das Umtauschverhältnis zum Nachteil der Gesellschafter ausfällt.
Interessenkonflikte bestehen regelmässig, wenn ein einflussreicher Gesellschafter auf beiden Seiten einer Transaktion steht. Das ist beispielsweise der Fall, wenn eine Gesellschaft mit ihrer Mehrheitsaktionärin fusioniert, wie dies in qualifizierter Form in Art. 23 Abs. 2 FusG vorgesehen ist. Die beherrschende Gesellschaft tritt einerseits als übernehmende Einheit auf und ist zugleich als Mehrheitsaktionärin auf der übertragenden Seite beteiligt. Es besteht die Gefahr, dass die Interessen der Minderheit zugunsten der Mehrheit benachteiligt werden. Art. 23 Abs. 2 lit. a FusG verlangt deshalb, dass der Minderheit alternativ eine Abfindung zum wirklichen Wert ihrer Anteile angeboten werden muss.2206 Trotz dominantem Einfluss der Mehrheitsgesellschafterin soll das Umtauschverhältnis möglichst marktgerecht bleiben.
Ein Interessenkonflikt des obersten Leitungs- oder Verwaltungsorgans führt aber nicht automatisch zu einem unangemessenen Umtauschverhältnis. Der Interessenkonflikt wirkt sich indes direkt auf die Verteilung der Beweislast im Rahmen des Überprüfungsprozesses nach Art. 105 FusG aus: Mangels besonderer Vorschrift ist der Kläger grundsätzlich beweispflichtig für die Unangemessenheit eines Umtauschverhältnisses (Art. 8 ZGB). Steht das oberste Leitungs- oder Verwaltungsorgan jedoch in einem Interessenkonflikt, findet eine Umkehr der Beweislast statt.2207 Die beklagte Transaktionspartei hat entweder nachzuweisen, dass das Umtauschverhältnis inhaltlich angemessen ist oder dass sich der Interessenkonflikt des leitenden Organs nicht nachteilig auf das Umtauschverhältnis auswirkt.2208 Gelingt der Nachweis, dass das Umtauschverhältnis inhaltlich angemessen ist, muss die Klage abgewiesen werden, da der Klagegrund nicht erfüllt ist (Art. 105 Abs. 1 FusG). Kann die beklagte Gesellschaft nachweisen, dass sich der Interessenkonflikt dank geeigneter Massnahmen nicht nachteilig auf das Zustandekommen des Umtauschverhältnisses auswirkte, wird die negative Vermutung des Interessenkonflikts beseitigt. Dem Kläger steht aber immer noch der Beweis offen, dass das Verhältnis trotz korrektem Verfahren materiell unangemessen ausgefallen ist.
Geeignete Massnahmen zur Entschärfung eines Interessenkonflikts können beispielsweise sein, dass die beklagte Gesellschaft in den Transaktionsverhandlungen nur durch unabhängige und unbefangene Organpersonen vertreten war und dass das Umtauschverhältnis durch einen besonderen, von der anderen Transaktionspartei unabhängigen Prüfer verifiziert wurde.