3. Fusionsvertrag

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In Art. 163 IPRG wird der Doppelnatur des Fusionsvertrags als gesellschaftsrechtliches und schuldrechtliches Instrument Rechnung getragen.2108 Der Fusionsvertrag muss gemäss Art. 163c Abs. 1 IPRG den zwingenden gesellschaftsrechtlichen Normen der auf die beteiligten Gesellschaften anwendbaren Rechte (also dem Gesellschaftsstatut sowohl der übertragenden als auch der übernehmenden Gesellschaft) mit Einschluss der Formvorschriften entsprechen. Darüber hinaus – d.h. für die typisch schuldrechtlichen Bereiche, bei welchen die Rechtsstellung Dritter nicht unmittelbar tangiert wird – haben die Parteien freie Rechtswahl (Art. 116 IPRG).2109 Wird davon kein Gebrauch gemacht, untersteht der Fusionsvertrag dem Recht des Staates, zu dem der engste Zusammenhang besteht. Dies ist vermutungsweise jener Staat, dessen Recht die übernehmende Gesellschaft untersteht (Art. 163c Abs. 2 IPRG). Im Falle einer Immigrationsfusion kommt also das schweizerische Recht, bei einer Emigrationsfusion das ausländische Recht und bei Kombinationsfusionen jenes Recht zur Anwendung, dem die neu gegründete Gesellschaft untersteht. Die gesetzliche Vermutung kann bei Vorliegen eines engeren Zusammenhangs zu einem andern Recht widerlegt werden.2110

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Das Erfordernis der Beachtung der zwingenden Vorschriften aller beteiligten Rechtsordnungen bedeutet eine Einschränkung der in Art. 116 IPRG statuierten freien Rechtswahl. Diese Einschränkung ist durch den gesellschaftsrecht­lichen Charakter des Fusionsvertrags und die daraus resultierenden Schutzbedürfnisse Dritter, die am Vertrag nicht direkt beteiligt sind, gerechtfertigt.2111 Mit der gleichen Argumentation ist auch das Abweichen von Art. 124 IPRG zu begründen, wonach ein Vertrag lediglich der Form des auf ihn anwendbaren Rechts oder der Form des Rechts am Abschlussort genügen muss.2112 Aufgrund der Regelung in Art. 163c Abs. 1 IPRG sind jeweils die strengsten Formvorschriften der involvierten Rechtsordnungen einzuhalten.2113 Die freie Rechtswahl der Parteien kommt bei denjenigen Fragen zum Tragen, welche vertrag­lichen Charakter aufweisen und die zur Vermeidung von Widersprüchen von einer einzigen Rechtsordnung bestimmt werden sollen.

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Die Bestimmungen, welche auf den Fusionsvertrag nach schweizerischem Recht anwendbar sind, finden sich in Art. 12 ff. FusG.2114 Nebst der in Art. 12 Abs. 2 FusG vorgesehenen Formvorschrift der Schriftlichkeit des Fusionsvertrags sind die Erstellung eines schriftlichen Fusionsberichts (Art. 14 FusG), die Prüfung von Fusionsvertrag, Fusionsbericht und Fusionsbilanz durch einen zugelassenen Revisionsexperten (Art. 15 FusG), die Auflage der Transaktionsdokumente zur Einsicht für die Gesellschafter (Art. 16 FusG), die gesetz­mäs­sige Beschlussfassung über die Fusion (Art. 18 FusG) sowie deren Eintragung ins Handelsregister (Art. 21 FusG) weitere Voraussetzungen des schweizerischen Rechts.2115 Ob diese Vorschriften zwingende Normen gemäss Art. 163c Abs. 1 IPRG darstellen oder vielmehr im Rahmen von Art. 163a IPRG oder Art. 163b IPRG zur Anwendung kommen, kann im Ergebnis offenbleiben.2116